Der Sex meiner Träume von Tammy Nelson

 

Mit dem Imago-Dialog zu neuer Leidenschaft

Über dieses Buch

Wenn der Zauber der anfänglichen Verliebtheit verblasst und die Leidenschaft im Alltag zu kurz kommt, so muss das kein Grund zur Resignation sein. Der Sex meiner Träume zeigt Möglichkeiten und Wege, bewusst und aktiv an einer lebendigen und erotischen Liebesbeziehung zu arbeiten.

Die Unterschiede zwischen Mann und Frau, besonders auch in sexueller Hinsicht, werden nicht mehr als störend, sondern als bereichernd und aufregend empfunden. Mit ihren Impulsen, Fallbeispielen und vielen konkreten Übungen zeigt Tammy Nelson, wie Verspieltheit, Abenteuerlust und unsere geheimsten Phantasien in unser Sexualleben integriert werden können. Das schenkt unserer Partnerschaft echte Inti­mität und neue Höhenflüge der Leidenschaft.

Tammy Nelson

ist Psychotherapeutin und zertifizierte Imago-Therapeutin, Leiterin des Instituts „Passionate Partnerships“ und Begründerin des „Centers of Healing and Recovery“ in Connecticut.

 

 

Tammy Nelson

Der Sex
meiner Träume

Mit dem Imago-Dialog
zu neuer Leidenschaft
Aus dem Amerikanischen übersetzt von
Margit Schröer

 

Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . .    9
Anmerkung der Übersetzerin . . . . . . . . .   10
1 Dauerhafte Leidenschaft beginnt
   mit guter Kommunikation . . . . . . . . .   11
2 Schritt für Schritt zum Sex unserer Träume   31
3 Risikofreude in Ihre Beziehung integrieren   47
4 Einfühlsamkeit schenkt Nähe und Leidenschaft 81
5 Das Kommunikationsdefizit im Bereich der
   Sexualität überwinden . . . . . . . . . .   93
6 Vom erotischen Interesse zu
   sexuellen Handlungen  . . . . . . . . . .  115
7 Freigebig auf die erotischen Bedürfnisse
   des Partners eingehen . . . . . . . . . .  155
8 Mehr Wissen über die Anatomie Ihrer

   Sexualorgane kann Ihr Sexualleben
   verbessern  . . . . . . . . . . . . . . .  189
9 Ein Leben voller Leidenschaft  . . . . . .  213

Danksagungen . . . . . . . . . . . . . . . .  229
Über die Autorin . . . . . . . . . . . . . .  229
Imago-Gesellschaft Österreich  . . . . . . .  230

Übungen

Wertschätzung schenken - im Imago-Stil . . .   18
Über Sex reden . . . . . . . . . . . . . . .   21
Eine „schmutzige“ Sprache verwenden  . . . .   33
Dem Partner meine Phantasien anvertrauen . .   38
Telefonsex mit meinem Partner  . . . . . . .   50
„Schlimme“ Sachen tun  . . . . . . . . . . .   53
Die Heilige und die Hure in uns entdecken  .   59
Erkennen, wonach mein Körper hungert . . . .   61
Abenteuer zu zweit . . . . . . . . . . . . .   63
Wertschätzung auf sexueller Ebene  . . . . .   66
Sinnlicher Ganzkörperkontakt . . . . . . . .   68
Ein Wertschätzungs-Date vereinbaren  . . . .   70
Wilde Sexphantasie . . . . . . . . . . . . .   74
Austausch und Zusammenfassung  . . . . . . .   77
Einfühlen in sexuelle Wünsche  . . . . . . .   84
Ihre Phantasie anregen . . . . . . . . . . .   89
Fragebogen zur sexuellen Ehrlichkeit . . . .   94
Die Sinne meines Partners  . . . . . . . . .   97
Die Sprache der Erregung . . . . . . . . . .  105
Sexuelle Achtsamkeit füreinander . . . . . .  111
Vom erotischen Interesse zu
  sexuellen Handlungen . . . . . . . . . . .  116
Seien Sie selbst die Initialzündung  . . . .  124
Bereitschaft, Prioritäten zu setzen  . . . .  125
Vereinbarung über das Vermeiden von Ausgängen 137

Sexuelles Senden und Empfangen . . . . . . .  141
Schlagen mit einem geeigneten
  Gegenstand (Caning)  . . . . . . . . . . .  144
Unterwerfungs- und Machtphantasien . . . . .  145
Berührungen bewerten . . . . . . . . . . . .  150
Rituale für den Sex  . . . . . . . . . . . .  158
Intimität - Ins Herz meines Partners blicken  160
Die „Klitoris-Uhr“ . . . . . . . . . . . . .  166
Unverarbeitete Verletzungen
  „ins Regal stellen“  . . . . . . . . . . .  169
Beim Oralsex in enger Verbindung sein  . . .  173
Über sexuelle Bedürfnisse sprechen . . . . .  174
Sex-Dates vereinbaren  . . . . . . . . . . .  182
Die Liebessprache der Frauen . . . . . . . .  184
Quiz über Ihre Sexualorgane  . . . . . . . .  190
Unterschiedliche Arten der Stimulation . . .  192
Doktorspiele . . . . . . . . . . . . . . . .  195
Klitoris-Spiele  . . . . . . . . . . . . . .  201
Der Penis als Kunstwerk  . . . . . . . . . .  203
Massage der Prostata . . . . . . . . . . . .  206
Übung für die Partnerin
  Massage der Schamlippen  . . . . . . . . .  207
Übung für den Partner
  Lecken der Hoden . . . . . . . . . . . . .  208
Übung für beide Partner
 
Massage des Damms  . . . . . . . . . . . .  208
Meinen Körper akzeptieren  . . . . . . . . .  210
In Berührung mit der sinnlichen Welt kommen   211
Unsere Reaktivität „containen“ . . . . . . .  216
Spirituelle und sinnliche Nähe . . . . . . .  222
Positives Überfluten auf sexueller Ebene . .  225
Glück bewusst und intensiv spüren  . . . . .  226


Dieses Buch widme ich Bruce -
er hat mir gezeigt, was wahre Liebe und Leidenschaft sind.

Einleitung

Im Laufe der letzten 20 Jahre habe ich in meiner Arbeit als Psychotherapeutin er­kannt, dass Paare, die lernen offen miteinander über ihre Sexualität zu reden, deutlich bessere Chancen auf eine glückliche und dauerhafte Partnerschaft haben. Als TherapeutIn erhält man im Allgemeinen leider wenig Anregung, wie man Paaren helfen kann, sich mit ihrer Sexualität zu befassen und einander ihre eroti­schen Bedürfnisse anzuvertrauen. Wenn aber Therapeuten unsicher werden, so­bald das Thema Sexualität zur Sprache kommt, wie sollen dann Klienten Ermu­tigung und Unterstützung finden?

Auf der Basis der Imago-Beziehungstheorie und des so genannten Imago-Dia­logs habe ich spezielle Methoden und Übungen entwickelt, die Männern und Frau­en helfen können, ihre Beziehung neu zu beleben und die Flamme ihrer Leiden­schaft wieder zu entfachen. Paaren fällt oft ein Stein vom Herzen, wenn sie eine Möglichkeit kennen lernen, miteinander über ihre sexuellen Phantasien und ihre Ängste zu reden, und wenn sie erleben, welche Veränderungen die Übungen die­ses Buches bewirken können. Jeder Mann und jede Frau, die sich nach einer er­füllten Beziehung sehnen und bereit sind, aktiv daran zu arbeiten - auch auf spie­lerische Weise, können dadurch überaus profitieren.

Wenn Sie lernen gut über Sex zu kommunizieren, werden Sie ein besserer Lieb­haber oder eine bessere Liebhaberin werden; Ihr Know-how für eine glückliche Beziehung wird wachsen. Ihre Beziehung wird an Intensität und an Erotik dazuge­winnen und Ihre Leidenschaft kann Sie und Ihren Partner ein Leben lang miteinan­der verbinden.

Der Imago-Dialog ist ein neuer Weg, gemeinsam mit Ihrem Partner Ihre Sexua­lität zu erforschen und neue Dimensionen zu erreichen. Er bietet eine Struktur, die Ihnen hilft, Ihre tiefsten Wünsche und Phantasien zu entdecken. Er schenkt Ihnen einen sicheren Rahmen, miteinander zu reden und sich dabei wirklich gesehen und gehört zu fühlen. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, sich von Ihrem Partner jenen Sex zu wünschen, von dem Sie immer geträumt haben. Vermutlich sind Sie bereits in mancher Hinsicht mit Ihrem Sexualleben recht zufrieden. Aber vielleicht gibt es noch Dinge, die Sie gerne einmal ausprobieren möchten. Unter Umständen haben Sie sexuelle Wünsche, über die Sie bisher noch nie zu sprechen wagten. Nun werden Sie eine Sprache kennen lernen, die Ihnen hilft, Ihre Wünsche in Worte zu fassen.

Die Imago-Therapie wurde von Harville Hendrix, dem Autor des Bestsellers So viel Liebe wie Du brauchst entwickelt. Dieses Buch hat Tausenden von Paaren auf der ganzen Welt geholfen, einander ihre Bedürfnisse einzugestehen und ihrer Lie­be Ausdruck zu verleihen. Nun können Sie diese lang erprobten Methoden verwen­den, um Ihr Sexualleben zu intensivieren und jene Nähe und Verbundenheit zu er­leben, die Ihre Leidenschaft beflügeln und eine lange, glückliche Partnerschaft ermöglichen werden.

Wenn Sie lernen offen miteinander über Sex zu sprechen, werden Sie einen hö­heren Grad an Intimität und Sicherheit in Ihrer Beziehung erreichen. Liebevolle Gefühle für Ihren Partner werden wie von selbst wachsen. Ein starkes und gesun­des Interesse an Sex sowie Leidenschaft und Lebensfreude sind die Quelle einer lebendigen, glücklichen und dauerhaften Partnerschaft.

Anmerkung der Übersetzerin

Das Wort Partner zählt zu den am häufigsten verwendeten Ausdrücken dieses Buches. Selbstverständlich bezieht es sich stets auf beide Geschlechter (außer an jenen Stellen, wo explizit von Partner oder Partnerin die Rede ist.)

Gerne hätten wir für viele Passagen auch die weibliche Form „Partnerin“ gewählt, um eine Ausgewogenheit zu erreichen. Da diese Form jedoch die männlichen Part­ner ausschließt, hätte das unter Umständen den Eindruck vermittelt, dass manche Übungen nur für Frauen gedacht seien.

So haben wir zur Vermeidung jeglicher Missverständnisse und im Sinne einer guten Lesbarkeit durchgängig den Ausdruck „der Partner“ verwendet. Es liegt uns daher besonders am Herzen, noch einmal zu betonen, dass wir dabei stets weibliche wie männliche Partner gleichermaßen im Blick hatten.

1 Dauerhafte Leidenschaft
beginnt mit guter Kommunikation

Frau X, eine „ganz normale“ Ehefrau, klappt ihr Buch zu und lässt den Kopf er­schöpft zurück auf ihren Polster fallen. Sie lauscht, ob die Kinder ruhig schlafen, und fragt sich, ob sie in der Nacht aufstehen werden, weil sie Durst haben oder auf die Toilette müssen. Vergangene Nacht sind wieder einmal beide Kinder ins Ehe­bett gekommen. Vielleicht ist eine Erkältung im Anzug?

Dann fällt ihr ein, dass sie vergessen hat, den Wäschetrockner auszuschalten und die Katze ins Haus zu lassen. Sie überlegt kurz, ob sie noch einmal aufstehen soll, aber da sie kalte Füße hat, kuschelt sie sich lieber in ihr warmes Bett. Es war ein anstrengender Tag, sie musste Einkäufe erledigen, den Kasten ihres Sohnes aus­sortieren, zwei Anzüge ihres Mannes in die chemische Reinigung bringen und die Wände der Toilette im Eingangsbereich neu streichen. Sie kratzt sich am Kopf, bemerkt dabei, dass ihre Haare fettig sind, und überlegt, ob sie heute eigentlich in der Dusche war. Ihre Boxershorts und der Flanellpyjama sind warm und sie schließt für einen Moment die Augen.

Plötzlich fällt ihr noch etwas ein: „Ob er womöglich heute Sex will?“ Sie dreht ihrem Mann den Rücken zu und gibt vor bereits zu schlafen.

Herr X, ein „ganz normaler“ Ehemann, sitzt im Bett und hat seinen Laptop auf den Knien. Er geht die lange Liste der E-Mails durch, die er heute noch nicht geöffnet hat. Er wirft einen kurzen Blick zu seiner Frau hinüber, die sich tief unter ihrer Decke vergräbt. Er sieht ihren Flanellpyjama und fragt sich, ob das signalisiert, dass es heute Abend wieder keinen Sex geben wird.

Er seufzt, wendet sich wieder dem Computer zu und bearbeitet seine E-Mails. Da entdeckt er eine unbekannte E-Mail-Adresse. Er ist nicht sicher, ob es sich um eine Spam-Mail handelt, zögert kurz und öffnet sie dann doch. Es ist die Einladung eine Pornoseite zu besuchen. Er wirft einen weiteren raschen Blick zu seiner Frau hinüber. Sie hat ihm den Rücken zugedreht. So klickt er auf diesen Link. Sofort erscheint ein Katalog junger, vollbusiger und spärlich bekleideter Mädchen, die versprechen, all seine erotischen Träume zu erfüllen. Mit seinem Cursor markiert er ein bestimmtes Mädchen, das ihn nett anlächelt, und klickt auf ihr Bild. Eine Großauf­nahme, auf der sie mit gespreizten Beinen zu sehen ist, lädt ihn ein, 9 Euro 99 Cent mittels Kreditkarte zu überweisen, um noch intimere Details zu sehen zu bekommen.

Er seufzt, nimmt die Brille ab und reibt seine müden Augen. Was er sich wirklich wünscht, ist Sex mit seiner Frau, ist Nähe und Zuwendung von seiner Frau. Wo ist die ursprüngliche Leidenschaft und Lebensfreude nur geblieben?

Seine Ängste überwinden
und über Sex sprechen

In einer Ehe oder langjährigen Partnerschaft entwickelt sich eine starke Vertrautheit, die der Erotik entgegenwirkt. Vertrautheit in der Ehe kann uns Nähe und Gebor­gen­heit vermitteln, aber sie ist der Leidenschaft und der sexuellen Anziehungskraft nicht gerade zuträglich.

Wenn Paare bereits in einer frühen Phase ihrer Beziehung lernen, miteinander über ihre sexuellen Bedürfnisse und Wünsche zu reden, kann ihnen das helfen, eine lebendige erotische Anziehungskraft für spätere Phasen zu bewahren. Gerade am Anfang einer Beziehung kann das jedoch einiges an Überwindung kosten. Dennoch lohnt es sich zweifellos, von Anfang an offen und ehrlich mit seinem Part­ner über Sex zu sprechen. Es macht sich später auf jeden Fall bezahlt, wie das folgende Beispiel zeigt:

Mädchen liegt unter jungem Mann. Es ist Samstagabend, sie haben Sex. Missio­narsstellung.

Das ist angenehm, denkt sie, und fragt sich gleichzeitig, ob sie versuchen soll ihm vorzuschlagen, einmal auf eine andere Weise Liebe zu machen, vielleicht eine neue Stellung auszuprobieren. Seit vielen Wochen haben sie jeden Samstagabend Sex in der Missionarsstellung. Soll sie ihm sagen, was sie sich wirklich wünscht?

Er scheint sich große Mühe zu geben, denkt sie. Ihre Gedanken sind sehr aktiv, während sie unter ihm liegt: „Ich möchte nicht, dass er denkt, ich schätze es nicht, wie sehr er sich bemüht, dass es mir gefällt. Aber vielleicht gäbe es noch ganz andere Möglichkeiten? Ob es ihm wohl etwas ausmachen würde, wenn ich selbst Hand anlege, um zum Orgasmus zu kommen? Nein, ich glaube nicht, dass ich ihm das je vorschlagen werde. Vielleicht sollte ich lieber einen Orgasmus vortäuschen, damit er zufrieden ist?“

Während der junge Mann sich rhythmisch in seiner Freundin bewegt, macht er sich Sorgen, dass seine Erektion nachlassen könnte. Das ist ihm zwar noch nie passiert, aber Freunde haben ihm erzählt, dass es manchmal schwierig ist, lange genug durchzuhalten. Das wäre ihm wirklich peinlich. Würde sie denn noch Sex mit ihm haben wollen, wenn er im Bett keine gute Leistung zeigte? Verflixt, warum sieht es bei Pornodarstellern immer so leicht aus? Wenn er nun kläglich versagte? In erster Linie war es doch seine Leistung im Bett, die ihm das Gefühl gab, ein echter Mann zu sein. Wenn er nun seine Freundin gerade da enttäuschte?

Würde seine Freundin denn noch Sex mit ihm haben wollen, wenn er im Bett keine gute Leistung zeigte? Verflixt, warum sieht es bei Pornodarstellern immer so leicht aus? In erster Linie war es doch seine Leistung im Bett, die ihm das Gefühl gab, ein echter Mann zu sein.


Was ist, wenn ich nicht lange genug durchhalte?“, denkt er. „Wenn ich zu früh komme?“

Noch immer bewegt er sein Glied rhythmisch in seiner Freundin und versucht dabei, sich abzulenken und nicht daran zu denken, wie toll sich das anfühlt. Er macht sich wirklich Sorgen. Er weiß nicht, ob er so lange warten kann, bis sie zum Höhe­punkt kommt. Und er fragt sich, ob er es auch bemerken wird, wenn sie kommt.

„Wie lange dauert es denn noch, bis sie kommt?“, fragt er sich im Stillen.
Noch nie hat er sie danach gefragt und sie hat es ihm auch nicht aus eigenen Stücken erzählt. Er würde es jedoch gerne wissen, weil er sie auf jeden Fall glücklich machen möchte. Er spürt, wie stark seine Erregung schon ist und dass er bald ejakulieren wird.


„Hoffentlich halte ich durch“, denkt er. „Ich muss mir noch mehr Mühe geben, nicht daran zu denken, wie toll es sich anfühlt. Aber vielleicht mache ich auch etwas falsch. Soll ich ihr vielleicht in die Augen schauen? Oder lieber an Fußball denken um mich abzulenken?“

Eine erotische Beziehung pflegen

Vielen Menschen geht es ähnlich wie diesem jungen Paar. Sie sind zwar nicht zufrieden mit ihrem Sexualleben, aber sie sprechen nicht darüber. Viele wünschen sich mehr Sex oder besseren Sex, wissen aber nicht, wie sie das ihrem Partner nahe bringen könnten. Wie können wir den Sex bekommen, von dem wir träumen, und wie können wir unserem Partner über unsere sexuellen Phantasien erzählen?

Dieses Buch möchte Ihnen auf der Basis des Imago-Dialogs einen Weg zeigen, die sexuelle Komponente Ihrer Partnerschaft neu zu beleben und die erotische Beziehung zu pflegen, nach der Sie sich sehnen. Sie werden hier Übungen finden, die Ihnen helfen, Ihre Leidenschaft und gegenseitige Anziehungskraft zu stärken. Einige Übungen zum Nachdenken und schriftlichen Festhalten werden Ihnen helfen herauszufinden, was Sie sich in sexueller Hinsicht wünschen. Sie werden Ihre erotischen Phantasien und Ihre sexuellen Bedürfnisse neu kennen lernen. Und Sie Dauerhafte Leidenschaft beginnt mit guter Kommunikation werden neue Wege entdecken, sich miteinander darüber auszutauschen und ein­ander Ihre geheimsten Wünsche anzuvertrauen.

Mithilfe dieser Methoden und Übungen werden Sie den Sex bekommen, von dem Sie träumen!

Was bedeutet „Imago“?

Die Imago-Beziehungstheorie wurde von Harville Hendrix und seiner Frau Helen LaKelly Hunt entwickelt. Die beiden sind auch Autoren mehrerer Bücher, darunter der Bestseller Getting the Love You Want - deutscher Titel: So viel Liebe wie Du brauchst. Das Konzept der Imago-Beziehungstheorie stützt sich auf die These, dass wir meist unbewusst einen Partner wählen, der unserer „Imago“ entspricht. Un­sere Imago ist das innere Bild aller positiven und negativen Charakter­eigen­schaf­ten, das wir durch die Erfahrungen unserer Kindheit in uns gespeichert ha­ben.

Dieser Partner ist in besonderer Weise dazu in der Lage, unsere Kindheits­wun­den zu heilen. Denn seine positiven und negativen Eigenschaften entsprechen tatsächlich weitgehend jenen unserer primären Bezugspersonen. Es war klug von uns, gerade diesen Partner zu wählen, weil er jene Eigenschaften besitzt, die uns im Zusammenspiel mit unseren eigenen Charakterzügen die Gelegenheit geben, all das zu vollenden, was in unserer Kindheit offen geblieben ist. So können wir jene Liebe bekommen, nach der wir uns immer gesehnt haben. Es ist kein Zufall, dass wir gerade diesen Partner ausgewählt haben. Es unterliegt einer ganz eige­nen Logik, wo er den primären Bezugspersonen unserer Kindheit gleicht und wo er sich von ihnen unterscheidet.

Wir wählen also mit erstaunlicher Zielsicherheit einen Partner, mit dem wir alle unsere persönlichen Themen noch einmal bearbeiten können. Dieser Partner kann einer­seits unsere Kindheitswunden heilen wie niemand anderer, aber er kann uns auch in denselben Punkten erneut verletzen.

Das ist auch der Grund, warum wir manchmal so große Schwierigkeiten in unse­rer Partnerschaft haben - und warum gerade unser Partner so viel Schmerz in uns auslöst.

Wir werden immer wieder auf ähnliche Weise verletzt wie in unserer Kindheit. Unser Partner hat die erstaunliche Begabung, unsere wunden Punkte so zielsicher zu finden wie niemand anderer. Und dennoch sind wir offenbar dazu entschlossen, unsere alten Verhaltensweisen zu wiederholen, weil wir entgegen aller Vernunft darauf hoffen, dass wir durch stetiges Wiederholen unseren Partner eines Tages dazu bringen könnten, uns nicht mehr zu verwunden und uns jene Liebe zu schen­ken, nach der wir uns tief in unserem Innersten sehnen.

Auf der anderen Seite kann der Partner, den wir ausgewählt haben, jene Bedürf­nisse erfüllen, die aus der Kindheit offen geblieben sind. Auch wenn wir eine sehr gute Kindheit hatten, konnten nie alle unsere Bedürfnisse erfüllt werden. Unsere Mutter hat uns nicht immer gehört, wenn wir weinten. Unser Vater kam nicht immer schnell genug um uns zu füttern, wenn wir Hunger hatten. Kein Mensch ist perfekt. Wenn unsere Eltern ihre Sache „gut“ gemacht haben, können wir uns zu unabhän­gigen, selbständigen Erwachsenen entwickeln.

Wir verlieben uns in jemanden, in dessen Gegenwart wir uns wohl fühlen. Wir lieben nicht nur diesen Partner, sondern wir lieben es, was für ein Mensch wir selbst in seiner Gegenwart sind. Durch ihn erfahren wir ein Gefühl der Ganzheit und Erfül­lung, das wir uns selbst nicht schenken können. Wir fühlen uns sicher, ausgegli­chen und tief verbunden mit unserem Partner.

Wenn unser Partner aber eines Tages damit aufhört, uns zu ergänzen und alle unsere Bedürfnisse zu erfüllen, lieben wir uns selbst in seiner Gegenwart nicht mehr. Deshalb ziehen wir uns zurück - oder wir beginnen unseren Partner zu kriti­sieren. Wir wissen nicht mehr, wie wir Erfüllung für unsere Bedürfnisse finden kön­nen. Nun beginnt ein Machtkampf oder zumindest eine konfliktreiche Phase. Ent­weder flüchten wir oder wir arrangieren uns. Wenn wir uns dafür entscheiden durch­zuhalten, ziehen wir Jogginghosen an und finden uns innerlich damit ab, dass die Romantik nun der Vergangenheit angehört. An diesem Punkt einer Part­ner­schaft kommt es vor, dass wir die sexuellen Bedürfnisse gewissermaßen von unserer Beziehung abspalten. Die sexuelle Anziehungskraft lässt nach. Unsere Lei­den­schaft verflüchtigt sich. Wir sind kein „Liebespaar“ mehr. Manche Menschen lagern ihre sexuellen Bedürfnisse aus; andere verschließen sie tief in ihrem Inneren.

Manchmal träumen wir davon, unseren Partner durch einen neuen zu ersetzen, mit dem wir glücklicher sein könnten. Unter Umständen versuchen wir es tatsäch­lich. Eine Zeit lang wird sich eine neue Beziehung gut anfühlen, weil wir neuerlich eine romantische Phase durchleben und alles durch eine rosa Brille sehen. Danach geraten wir jedoch erneut in eine Konfliktphase und finden uns neuerlich in einem Machtkampf wieder. Sex wird zu reinem Gewohnheitssex oder sogar zu einem Teil unseres Machtkampfes.

Wenn wir diesen Teufelskreis durchbrechen und an einer Beziehung arbeiten wollen, in der romantische Liebe und Leidenschaft dauerhafte Begleiter sind, be­steht der erste Schritt in einer guten Kommunikation. Aber auch gute Kommuni­ka­tion allein wäre zu wenig. Ein sicherer Rahmen, in dem Sie miteinander reden können, wird die Leidenschaft in Ihrer Partnerschaft stärken, und diese Leidenschaft kann wiederum Ihre Kommunikation verbessern. Der erste Schritt in Richtung einer guten Kommunikation besteht darin, sich Zeit füreinander zu nehmen, folgende Übungen miteinander zu machen und einander dadurch Wertschätzung zu schen­ken, wie es bei Imago üblich ist.


Der Unterschied zwischen einem Dialog
und einer Konversation

Oft sprechen wir mit unserem Partner, hören ihm aber nicht wirklich zu - besonders im Fall eines Konfliktes. Wir sind damit beschäftigt unseren verbalen „Gegen­ schlag“ vorzubereiten, noch bevor unser Gegenüber seinen Satz beendet hat. Wir antworten und schneiden dem Partner das Wort ab, bevor er sagen konnte, was er sagen wollte. So fühlt er sich nicht gehört und nicht so gesehen, wie er gesehen werden möchte.

Mithilfe des Imago-Dialogs können Paare üben, einander wirklich zuzuhören und einander zu fragen, was sie in ihrer Beziehung brauchen. Diese Art der Kommu­ni­ka­tion macht es möglich, dass unsere unerfüllten Bedürfnisse Heilung finden können. So können wir jene Liebe finden, nach der wir uns zutiefst sehnen.

Eine Konversation zu führen ist etwas anderes, als sich auf einen Dialog einzu­lassen. Der Imago-Dialog erfordert große Konzentration und Gegenwärtigkeit, das bedeutet, dass Sie sich ausschließlich darauf konzentrieren, was Ihr Partner sagen will, und nicht darauf, was Sie ihm antworten könnten. Wenn Sie Ihrem Partner in­tensiv zuhören, sind Sie empfänglich für das, was er Ihnen sagen möchte. In sol­chen Momenten erlebt Ihr Partner Sie anders als sonst. Er spürt, wie gegenwärtig Sie sind, und schätzt es zutiefst, dass Sie sich nicht ablenken lassen.

Der Weg von Imago kann uns helfen, in sexueller Hinsicht wieder in Beziehung zueinander zu treten und unsere Nähe zu vertiefen. Die ersten Schritte in Richtung einer dauerhaften, leidenschaftlichen Partnerschaft sind die Arbeit an der eroti­schen Anziehungskraft und die Pflege der freundschaftlichen Ebene. Dazu zählt es, miteinander über unsere sexuellen Bedürfnisse reden zu lernen. Eine Vorbedingung dafür ist, sich sicher genug zu fühlen, um dem Partner seine sexuellen Wün­sche und Phantasien anzuvertrauen. Dank der Struktur des Imago-Dialogs kann der Austausch über heikle und schwierige Themen zu einer wunderbaren Erfah­rung werden, bei der wir uns tief von unserem Partner angenommen und angehört fühlen.

Erste Erfahrungen mit dem Imago-Dialog

Ein Dialog braucht zwei Personen: eine spricht und wird deshalb Sender genannt, die andere hört zu und wird Empfänger genannt.

Damit unser Partner uns gut hören kann oder jene Informationen „empfangen“ kann, die wir ihm „senden“ möchten, müssen wir gewissermaßen den Weg dafür bereiten. Mit anderen Worten, wir müssen für einen sicheren Rahmen sorgen. Meist gehen wir sofort in die Defensive, wenn unser Partner um ein „ernstes“ Ge­spräch bittet. Wir haben Angst kritisiert zu werden oder uns rechtfertigen zu müs­sen für etwas, was wir falsch gemacht haben. Es ist uns wichtig, dass er hören
kann, was wir sagen.

Eine Konversation zu führen ist etwas anderes, als sich auf einen Dialog einzulassen.
Im Imago-Dialog konzentrieren Sie sich ausschließlich darauf, was Ihr Partner sagen will, und nicht darauf, was Sie ihm antworten könnten.

Der beste Weg, einen sicheren Rahmen für unseren Partner zu schaffen, besteht darin, alle unsere Dialoge mit einer Wertschätzung zu beginnen. Die meisten Men­schen fühlen sich gut, wenn sie ein positives Feedback bekommen. Deshalb be­gin­nen wir einen Dialog damit, unserem Partner etwas zu sagen, das wir an ihm schätzen. Eine Wertschätzung ist etwas, das wir einfach mögen an unserem Part­ner. Es kann sich auf ein Verhalten oder eine Handlung unseres Partners beziehen, oder auf etwas, das für Sie persönlich eine besondere Bedeutung hat. Vielleicht ist es auch einfach eine Eigenschaft, die Sie an Ihrem Partner lieben.

Ihrem Partner zu sagen, dass Sie ihn schätzen, kann zum Beispiel bedeuten et­was anzuerkennen, das er tut. Normalerweise würden Sie sich nicht die Zeit neh­men, das zu erwähnen. Es kann sich um ganz einfache Dinge handeln, wie zum Beispiel: „Ich finde es sehr aufmerksam, dass du dir gemerkt hast, dass ich zwei Stück Zucker in meinem Kaffee haben möchte.“ Oder „Ich schätze es wirklich, dass du mit mir zur Therapie gekommen bist.“ Oder „Ich bin so dankbar, dass du den Rasen gemäht hast.“

Wertschätzungen sind eine Möglichkeit, mehr von dem zu bekommen, wonach wir uns sehnen. Sie tragen dazu bei, die Beziehung zu unserem Partner liebevoller zu gestalten. Oft macht unser Partner im Alltag etwas, das wir sehr schätzen, aber wir bedanken uns nicht dafür, obwohl schon ein kleines Dankeschön unserem Partner sehr viel bedeuten würde. Unsere Beziehung wird liebevoller, wenn es we­niger Spannungen und Kritik, jedoch mehr positives Feedback gibt.

Probieren Sie die folgende Übung mit Ihrem Partner aus. Sie können dabei nichts falsch machen. Es handelt sich um eine neue Art und Weise, mit Ihrem Part­ner zu sprechen und an Ihrer Beziehung zu arbeiten. Zu Beginn kommt Ihnen diese Übung vielleicht etwas seltsam vor. Lassen Sie sich dadurch nicht abhalten und versuchen Sie es dennoch. Sich auf ein Experiment einzulassen ist eine gute
Möglichkeit, etwas Neues kennen zu lernen.

Übung . Wertschätzung schenken - im Imago-Stil

Für diese erste Übung brauchen Sie 15 Minuten ungestörte Zeit zu zweit. Suchen Sie sich einen ruhigen Platz, an dem Sie beide bequem sitzen und einander anse­hen können - auf Stühlen, auf dem Boden oder auf einem Bett - und versuchen Sie bitte, die ganze Übung hindurch in gutem Augenkontakt zu bleiben.

Nun beginnen Sie mit einer neuen und heilsamen Art der Kommunikation: mit dem Imago-Dialog. Er ist die Basis dieses Buches. Der Imago-Dialog bildet eine sichere Struktur, innerhalb der Sie miteinander über Ihre Partnerschaft und später auch über Ihre erotischen Bedürfnisse und Phantasien reden können. Beginnen wir damit, einander Wertschätzungen zu sagen und dabei zu üben, wie man einander spiegelt. Spiegeln ist eines der grundlegenden Elemente des Imago-Dialogs. Es wird gleich zu Beginn dieser Übung näher erklärt. Auch alle weiteren Übungen dieses Buches bauen darauf auf.

Zu Beginn könnte Ihnen diese Übung unter Umständen ein wenig seltsam vor­kommen. Das Gespräch kommt nur langsam in Fluss und Ihre Worte erscheinen Ihnen vielleicht etwas gekünstelt. Machen Sie sich darüber bitte keine Gedanken. Die Methode kann Ihnen im Moment noch ungewohnt erscheinen, aber mit der Zeit werden Sie immer vertrauter damit werden und sie bald mühelos anwenden, in besonderer Weise auch für Gespräche über erotische Themen.

Es kann durchaus vorkommen, dass Sie zu kichern beginnen oder den Au­genkontakt mit Ihrem Partner verlieren. Das ist völlig in Ordnung. Vielleicht spüren Sie auch den Impuls aufzustehen, etwas aus dem Kühlschrank zu holen, einen raschen Telefonanruf zu erledigen oder Ihre E-Mails durchzusehen. Bitte tun Sie Ihr Bestes, um sich so lange auf die Übung zu konzentrieren, bis Sie und Ihr Partner gesendet und empfangen haben. Der Sender ist derjenige, der zu sprechen be­ginnt, und der Empfänger ist derjenige, der zuerst zuhört.

Schritt Eins

Zuallererst vereinbaren Sie bitte, wer Sender und wer Empfänger ist. Der Sender spricht und die einzige Aufgabe des Empfängers ist es, zuzuhören und exakt zu spiegeln, was der Sender sagt. Spiegeln bedeutet zu wiederholen, was der Sender gesagt hat, ohne etwas zu verändern oder zu ergänzen.

Schritt Zwei

Der Sender sagt/„sendet“ mindestens drei Dinge, die er an seinem Partner schätzt.
Hier ein Beispiel:
Sender: „Ich schätze es, dass du einen Dialog mit mir führst.“

Schritt Drei

Nach jeder Wertschätzung wiederholt/„spiegelt“ der Empfänger, was der Sender gesagt hat. Für das eben genannte Beispiel bedeutet das, dass der Empfänger in Augenkontakt mit dem Sender bleibt und sagt: „Ich höre, du sagst, dass du es schätzt, dass ich einen Dialog mit dir führe.“

Bei einem Imago-Dialog gibt es für den Empfänger ohne Ausnahme nur zwei Möglichkeiten zu antworten:

1. „Kannst du das bitte noch einmal sagen?“, wenn der Empfänger den Sender nicht verstanden hat oder sich nicht merken konnte, was er gehört hat. Dann wie­ derholt der Sender das Gesagte und der Empfänger versucht neuerlich, es zu spiegeln.

2. Der Empfänger spiegelt zurück, was der Sender gesendet hat und sagt dann:
„Erzähl mir mehr darüber!“ Oder „Gibt es noch mehr dazu?“ Oder bei sehr heiklen Themen unter Umständen „Möchtest du mir noch mehr darüber erzählen?“ Der Sender kann mehr erzählen oder er sagt: „Das ist alles“ und belässt es da­bei. Nach drei Wertschätzungen werden die Rollen gewechselt und der Sender wird zum Empfänger.

Einfühlsamkeit ermöglicht Aufgeschlossenheit
für Erotik und Sexualität

Manchmal haben wir den Eindruck, dass es unmöglich ist, eine Partnerschaft neu zu beleben und das erotische Knistern wieder zu spüren. Es ist aber eine Tatsache, dass wir während unseres ganzen Lebens erotische Bedürfnisse haben und uns nach körperlicher und seelischer Nähe in Form von Sexualität sehnen.

Miteinander wirklich reden zu lernen und sich gut einzufühlen in seinen Partner, ist die beste Möglichkeit, die erotische Anziehungskraft in einer Beziehung zu stärken. Der erste Schritt aller Übungen, in deren Rahmen wir das Reden und Zuhören trainieren können, ist das Spiegeln.

Im Laufe dieses Buches werden Sie immer besser erkennen, was mit „gesun­der“ sexueller Aufgeschlossenheit gemeint ist. Menschen, die in sexueller Hin­sicht aufgeschlossen sind, sind bereit, ihre Gedanken, ihre sexuellen Phan­tasien und Wünsche näher kennen zu lernen und zu definieren. Auch wenn wir nicht mit unserem Partner darüber sprechen, haben wir meist ein gewisses Interesse an sexuellen Dingen und beschäftigen uns zumindest gedanklich mit erotischen Phantasien. Wenn wir die Phantasiewelt unseres Partners kennenlernen, können wir viel besser verstehen, was ihn glücklich macht, und erhal­ten wertvolle Hinweise, wie wir für ihn ein leidenschaftlicher und liebevoller Part­ner sein können.

Einfühlsamkeit in sexueller Hinsicht ist wichtig, denn sie schafft einen
sicheren Rahmen, um uns mit unseren sexuellen Phantasien zu beschäftigen und zu wagen, unserem Partner unsere sexuellen Phantasien an­zuvertrauen. Wenn Sie sicher sein können, dass Ihr Liebster Sie nicht aufgrund Ihrer erotischen Inter­essen und Vorstellungen weder lächerlich machen noch verlassen wird, werden Sie viel eher dazu bereit sein, sie ihm anzuvertrauen.

Einfühlsamkeit in sexueller Hinsicht bedeutet nicht, dass Ihr Partner mit all Ihren Gedanken und Phantasien einverstanden ist oder dazu bereit ist, sie gemeinsam umzusetzen. Einfühlsamkeit in sexueller Hinsicht bedeutet vielmehr, dass Sie erkennen, dass es sich um die erotischen Phantasievorstellungen Ihres Partners und nicht um Ihre eigenen handelt. Einfühlsamkeit bedeutet auch dankbar zu sein, dass Ihr Partner sich sicher genug fühlt, Sie daran teilhaben zu lassen. Sich in einer Beziehung so sicher zu fühlen, dass man seine intimsten sexuellen Phantasien beim Namen nennen kann, ist ein großer Schritt zu echter Leidenschaft und Verbundenheit.

Wir können unsere sexuellen Phantasien nur eingestehen, wenn wir uns sicher und respektiert fühlen, wenn wir wissen, dass unser Partner uns zuhören wird und spiegelt, was wir sagen, ohne uns zu verurteilen. Nur dann können wir es wagen, unsere Gedanken und Wünsche offen auszusprechen.

Der Imago-Dialog eröffnet uns hier großartige Möglichkeiten. Wir können unsere erotischen Gedanken und Phantasien im Dialog ansprechen, und unser Partner spiegelt zurück, was wir sagen. Vorerst braucht er noch nicht darauf zu antworten. So fühlen wir uns wirklich gehört. Wir brauchen keine Angst zu haben, dass die Reaktion unseres Partners uns einschränkt, weder auf positive noch auf negative Weise. Das eröffnet uns einen Freiraum, in dem wir alle unsere Phantasien zum Ausdruck bringen können.

Einfühlsamkeit in sexueller Hinsicht bedeutet, dass Ihr Partner Ihre erotischen Gedanken anhört und ihnen Raum gibt. Im weiteren Verlauf dieses Buches werden wir noch näher definieren, was einen sexuell einfühlsa­men Partner ausmacht.


Das Risiko, sein Innerstes preiszugeben

Über Sex zu sprechen fällt uns oft sehr schwer, selbst mit einem Partner, den wir schon lange kennen. Man könnte meinen, dass es Menschen in langen Bezie­hun­gen leichter fällt ihrem Partner zu vermitteln, was sie sich im Bett wünschen. Das Gegenteil ist der Fall. Ehrlichkeit in sexuellen Belangen wird immer schwieriger, denn in einer langjährigen Partnerschaft steht einfach mehr auf dem Spiel als zu Beginn.

Unsere Risikobereitschaft in sexueller Hinsicht verändert sich. Zu Beginn einer Beziehung gelingt es uns noch, manche Persönlichkeitsanteile zu zeigen, die wir später wieder verdrängen. Wenn wir mehr Sicherheit bei unserem Partner empfin­den, so wird auch unser Sex „sicherer“ und wir unterdrücken unsere ungestümen Seiten, aus Angst, unseren Partner zu verletzen oder die Sicherheit unserer Bezie­hung zu gefährden. Um eine sichere Beziehung zu haben, bemühen wir uns um Sicherheit in unserem Sexualleben.

Die folgende Übung möchte Paare motivieren, einander ihre sexuellen Phanta­sien anzuvertrauen. Sie baut auf der ersten Übung auf und stellt eine Erweiterung derselben dar. Wir beginnen mit den bei Imago üblichen Wertschätzungen und gehen dann einen Schritt weiter, um einen sicheren Rahmen zu schaffen, in dem Sie über Sex reden können. Diese Übung ist ein sehr guter Einstieg in ein eroti­sches Gespräch. Der Schlüssel dazu ist gegenseitige Wertschätzung. Wenn Sie möchten, dass Ihre Bedürfnisse Erfüllung finden, ist Wertschätzung der erste Schritt dazu.


Übung . Über Sex reden

Für diese Übung brauchen Sie mindestens 25 Minuten ungestörte Zeit zu zweit. Suchen Sie sich einen ruhigen Platz, an dem Sie beide bequem sitzen und einan­der ansehen können - auf Stühlen, auf dem Boden oder auf einem Bett - und ver­suchen Sie bitte, die ganze Übung hindurch in gutem Augenkontakt zu bleiben.

Es empfiehlt sich, das Licht zu dimmen oder ein paar Kerzen anzuzünden, sexy Unterwäsche anzuziehen, in der Sie sich gut fühlen, und für sanfte Musik zu sor­gen. Eine geeignete Atmosphäre ist gerade zu Beginn sehr hilfreich und kann die Leidenschaft spürbar steigern.

Wir beginnen damit, einander einige Wertschätzungen zu sagen und sie gegen­ seitig zu spiegeln. Das Spiegeln ist eines der grundlegenden Elemente des Imago-Dialogs. Sie werden es auch für die fortgeschrittenen Übungen brauchen. Spiegeln kann zu Beginn unter Umständen noch etwas ungewohnt für Sie sein, aber viel­leicht haben Sie auch schon einen ersten Eindruck davon bekommen, welch an­ genehmes Gefühl es ist gespiegelt zu werden. Wenn Ihnen die Worte noch etwas gekünstelt oder stockend erscheinen, machen Sie sich darüber keine Gedanken. Ihre Liebe soll keineswegs daran gemessen werden, wie schnell Sie mit dieser Übung vertraut werden. Auch wenn die Übung sich im Moment ein wenig seltsam anfühlt, wenn Sie kichern, sich herausreden möchten, rot werden oder sich ko­misch vorkommen - sehen Sie das einfach als normal an.

Bitte tun Sie Ihr Bestes, um sich so lange auf die Übung zu konzentrieren, bis Sie und Ihr Partner gesendet und empfangen haben.

Schritt Eins

Vereinbaren Sie bitte zuerst, wer Sender und wer Empfänger ist. Der Sender sendet eine Wertschätzung für seinen Partner. Der Empfänger spiegelt, was der Sen­der sagt.

Schritt Zwei

Der Sender sendet eine Wertschätzung für seinen Partner, diesmal in sexueller Hinsicht. Der Empfänger spiegelt diese Wertschätzung ebenfalls.

Schritt Drei

Nun nennt der Sender etwas, das er in sexueller Hinsicht wirklich genießt und ger­ne öfter erleben möchte. Der Empfänger bemüht sich, nicht zu kommentieren, was sein Partner sagt, und spiegelt es exakt. Das ist wirklich wichtig. Der Empfänger bewertet nicht, was der Sender sagt. Er braucht dem Sender nicht zustimmen, keine Kompromisse finden, keine Zugeständnisse machen - er braucht gar nicht „antworten“. Eine Antwort ist nicht nötig. Das Ziel dieser Übung liegt ausschließlich im Spiegeln.

Wieder gibt es für den Empfänger nur zwei Möglichkeiten zu antworten. Er kann den Sender bitten: „Kannst du das bitte noch einmal wiederholen?“ Oder der Emp­fänger spiegelt das Gesagte und ermuntert den Sender: „Erzähl mir mehr darüber.“ Der Sender kann nun mehr erzählen oder er sagt: „Das ist alles“, und belässt es dabei.

Wie geht es Ihnen nun, wo Sie einander Ihre Wertschätzungen gesagt haben?
Können Sie Ihrem Partner erzählen, welche Gefühle Sie hatten, als Sie diese Dinge hörten? Versuchen Sie bitte, nicht zu bewerten, was Sie gehört haben, sich nicht davon zu distanzieren oder darüber zu diskutieren. Sie müssen weder damit ein­verstanden sein, noch Kompromisse eingehen oder Schuld eingestehen. Bleiben Sie einfach bei dem, was Sie gehört haben. Sie können Verständnisfragen stellen, aber davon abgesehen versuchen Sie bitte, die Wertschätzungen einfach anzu­nehmen und auf sich wirken zu lassen.

Zur Geschichte der Liebe

Männer und Frauen haben verschiedene emotionale Bedürfnisse und reagie­ren auch beim Sex unterschiedlich. Eines aber haben sie gemeinsam - die Sehnsucht nach Liebe.

„Eros“ oder der Liebestrieb, der Neues erschafft, ist jene Kraft, die uns drängt, am Leben zu bleiben und intensiv zu leben. Eros lässt uns Sehnsucht in unse­ren Beziehungen empfinden und schenkt uns das wunderbare Gefühl der Verliebtheit, das wir uns alle wünschen und das uns mit Energie erfüllt. Es ist die Energie, die wir Leidenschaft nennen.

Liebe ist naturgegeben; sie ist das instinktive Verlangen nach Leidenschaft und der Trieb des Eros. Eros ist eine Gestalt aus der griechischen Mythologie:
er ist der Sohn von Aphrodite, der griechischen Göttin der Liebe. Dem Gott Eros wurde die Leidenschaft, die Romantik und die Sexualität zugeschrieben und er wurde als Gott der Fruchtbarkeit verehrt - er symbolisierte unseren Lebenstrieb. Die alten Griechen meinten, dass Eros die ungezähmte sexuelle Leidenschaft verkörperte. Dennoch schrieb man ihm wie dem Gott Amor auch negative Eigenschaften zu, nämlich hinterlistig, allzu verspielt und untreu zu sein. Das Wort Eros ist die Wurzel des Wortes erotisch.

Die Römer hatten ein etwas anderes Bild vom griechischen Gott Eros. Sie nann­ten ihn Amor, den Gott der Liebe. Amor quälte seine Geliebten, indem er Pfeile auf sie schoss, sie dadurch in seinen Bann zog und wehrlos machte. Der englische Name des Gottes Amor lautet Cupid. Das leitet sich vom latei­nischen „Cupido“ ab und heißt „Begierde“. Der Name Amor hingegen kommt vom lateinischen Wort für „Liebe“. Man dachte, dass Amor der Sohn der Venus sei, der römischen Göttin der Liebe.

Eros liegt unserem archetypischen Bild von erotischer Liebe zu Grunde. Da­von leitet sich die klischeehafte Vorstellung ab, dass Liebende von ihrer Lei­den­schaft überwältigt werden, sich vor Sehnsucht verzehren und ihr Herz bricht, wenn ihre Liebe nicht erwidert wird. Wird sie aber erwidert und werden zwei Menschen zu einem Liebespaar, so meinen wir, ihre Liebe sei ein inniges und leidenschaftliches Band, das durch Intimität noch verstärkt wird. Ihre gro­ße Sehnsucht verbindet die Partner in der Tiefe ihrer Seele.

Ist es verwunderlich, dass wir am liebsten für immer in der Anfangsphase einer Beziehung bleiben möchten? Wir wollen uns diese leidenschaftliche und star­ke Energie bewahren. Sie nährt uns und schenkt uns ein Gefühl großer Le­ben­digkeit. So stellen wir uns Liebe vor. Wenn diese Energie aber nachlässt, überfällt uns die Angst, dass unsere Liebe verloren gehen könnte.

In der Anfangsphase der Liebe spielt jedoch zweifellos die Chemie unseres Gehirns die größte Rolle. Unser Körper setzt Hormone und Gehirnbotenstoffe frei, die uns ein Hochgefühl vermitteln, und diese chemischen Substanzen verstärken die Anziehungskraft zu unserem Partner. Leider kann unser Gehirn diesen Hormonspiegel nicht endlos lange aufrechterhalten. Mit der Zeit kommt es von Natur aus zu einem Nachlassen der Hormonproduktion in unserem Ge­hirn. Der intensive Zustand der Sehnsucht, den wir „Liebe“ nennen, lässt nach. Wir beginnen, uns wieder nach intensiveren Gefühlen zu sehnen.

In dieser Phase unserer Beziehung liegt es an uns selbst, ob wir bereit sind, an unserer Liebe zu arbeiten. Wenn wir Leidenschaft in uns erwecken möch­ten, müssen wir uns dafür entscheiden, bewusst und gezielt etwas für eine tiefe Verbundenheit zu tun. Das erreichen wir, indem wir die intime und eroti­sche Beziehung zu unserem Partner pflegen.

Besserer Sex erfordert in erster Linie eine tiefere und intensivere Verbundenheit mit unserem Partner.

Wenn Sie sich nach mehr Leidenschaft in Ihrer Beziehung sehnen, dann seh­nen Sie sich im Grunde nach mehr Nähe und Tiefe. Sie möchten sich enger mit Ihrem Partner verbunden fühlen. Sie spüren die Sehnsucht in sich, Ihren Partner auf einer tieferen Ebene kennen zu lernen und selbst in der Tiefe Ihres Wesens erkannt zu werden. Sowohl Männer als auch Frauen haben ein glei­cher­maßen starkes Bedürfnis, mit einem anderen Menschen verbunden zu sein. Durch Sex kann dieses Bedürfnis Erfüllung finden. Und je mehr Erotik in unserer Beziehung mitschwingt, desto mehr Verbundenheit zu unserem Part­ner kön­nen wir spüren. Wenn unsere erotischen Phantasien Erfüllung finden, so gewinnt die Beziehung zu unserem Partner an Tiefe und erreicht neue Di­men­sionen.

 

Die sechs Phasen einer Liebesbeziehung

Es ist leicht zu bemerken, wenn man sich verliebt. Dafür gibt es deutliche An­zei­chen und Symptome. Wir haben zum Beispiel Sehnsucht nach unserem Geliebten. Wir sind aufgeregt, wenn wir einander sehen. Wir denken oft an ihn. Wir begehren ihn in sexueller Hinsicht. Und manchmal haben wir den Eindruck, einfach nicht genug von ihm bekommen zu können.

Wenn die Begeisterung und der Nervenkitzel nachlässt und die Beziehung in eine abgeklärte Phase kommt, fragen wir uns unter Umständen, ob wir noch ver­liebt sind. Die Symptome haben sich verändert, unsere emotionalen Höhenflüge sind nicht mehr so hoch wie früher, die gegenseitige Anziehungskraft hat etwas nachgelassen. Wir fragen uns, ob wir noch verliebt sind. Bedeutet das, dass unse­re Lei­den­schaft immer mehr schwinden muss?

Langzeitbeziehungen müssen keineswegs ein Todesurteil für die Leidenschaft bedeuten. Jede Partnerschaft kennt solche Phasen, sie sind als normal anzuse­hen. Sexuelles Interesse und Erotik unterliegen einem natürlichen Zyklus und wenn beide Partner bereit sind, diese Phasen bewusst zu erkennen, können sie an einer dauerhaften und leidenschaftlichen Partnerschaft arbeiten.

Im Folgenden finden Sie die unterschiedlichen Phasen einer Liebesbeziehung.

Die Phase der romantischen Liebe. In dieser Phase fühlen wir uns durch und durch lebendig, energiegeladen und haben großartigen Sex. Wir sind voller Hoff­nung und fühlen uns tief miteinander verbunden. Die Phase der romantische Liebe hält im Allgemeinen zwischen drei und 27 Monate lang an. Das ist die Zeit der Leidenschaft, in der jenes innere Band wachsen kann, das uns für spätere Phasen der Liebe miteinander verbindet.

Die „Jogginghosen-Phase“ oder Phase der Bequemlichkeit. In dieser Phase fühlen wir uns in der Beziehung mit unserem Partner wohl und entspannt. Je vertrauter wir werden und je sicherer wir uns fühlen, desto mehr kommt unser wahres Selbst ans Tageslicht. Wir konzentrieren uns nicht mehr so sehr auf unser Äußeres. Nach ungefähr einem Jahr nehmen wir vielleicht an Gewicht zu, rasieren uns seltener und werden nachlässig, was unser äußeres Erscheinungsbild betrifft. Wir denken nicht mehr über Dinge nach, die uns anfänglich sehr beschäftigt ha­ben, und gewöhnen uns an das Leben mit unserem Partner.

Die Konfliktphase oder Phase des Machtkampfes. In der Phase des Macht­kampfes einer Beziehung erkennen wir, welche Konflikte in einer Lang­zeit­beziehung auftreten. Wir handeln reaktiver und defensiver und versuchen jene Liebe zu bewahren, die wir zu Beginn unserer Beziehung empfunden haben.

Es kommt zu Konflikten, weil wir unseren Partner nun mit anderen Augen sehen. Der Nebel der ersten romantischen Liebe hat sich gelichtet und wir sehen unseren Partner nun ohne die Unschärfe unserer Projektionen, durch die wir ihn ursprüng­lich betrachtet haben. Zu Beginn einer Partnerschaft sehen wir unseren Partner als einen Menschen an, der uns ergänzt und uns ein Gefühl der Ganzheit schenkt. Der Grund dafür sind Charaktereigenschaften, die wir selbst besitzen, aber verdrängt haben. Wir verdrängen jene Selbstanteile aus verschiedensten Gründen, unter anderem deshalb, weil wir meinen, dass jene Eigenschaften nicht zielführend sind, um Liebe und Aufmerksamkeit zu erhalten.

Wenn Sie ein Mann sind und bereits als kleines Kind gelernt haben, dass „große Jungen nicht weinen“ - ein Satz, den die meisten Jungen aus ihrer Kindheit kennen - so ist es gut möglich, dass Sie als Erwachsener Ihren Zugang zu Ihrer Fähigkeit zu weinen ganz verloren haben. Das bedeutet, dass Sie jenen Teil Ihres Selbst verdrängen, der traurig sein und weinen kann.

Wenn Sie nun eine Frau kennen lernen, sie ins Kino einladen und merken, dass sie schon bei der Filmvorschau zu weinen beginnt, dann wird sie eine große Anziehungskraft auf Sie ausüben. Sie besitzt nämlich jenen Charakterzug, den Sie verdrängt haben. Mit ihr gemeinsam können Sie sich wieder vollständig, wieder „ganz“ fühlen.

Wenn Sie sich nun in diese Frau verlieben und sie heiraten, kann es leider vor­kommen, dass ihr Weinen Sie mit der Zeit richtiggehend verärgert. Sie fühlen sich nicht mehr hingezogen zu diesem Teil von ihr, sondern empfinden ihr Weinen als abstoßend, sodass es Distanz zwischen Ihnen schafft, anstatt Ihre Liebe zu vertie­fen.

Andere Gründe für Alltagskonflikte hängen damit zusammen, wie wir an Pro­bleme herangehen. Männer und Frauen sehen die Welt auf verschiedene Weise. Männer lösen Probleme im Allgemeinen dadurch, dass sie sich zurückziehen, über ein Problem nachdenken und erst aus ihrer Höhle herauskommen, wenn sie eine Lösung wissen. Frauen reden meist so lange über ihre Probleme, bis sich ihr Un­be­hagen legt und sie wieder einigermaßen zuversichtlich sind. Diese Vorgangs­weise empfinden Männer als klare Abwertung ihrer Lösungsvorschläge. Frauen wiederum haben das Gefühl, dass die Männer sie nicht ausreden lassen, wenn sie über ein Problem öfter als nur einmal reden möchten.

Wenn wir mit Konflikten in unserer Partnerschaft konfrontiert sind, steigen unser Unbehagen und unser innerer Druck - wir zeigen in der Folge eine „primitive Reak­tion“. Unser Gehirn meldet Gefahr und bereitet sich auf einen Kampf vor. Unser Körper wird in einen Spannungszustand versetzt und macht sich bereit für einen körperlichen Angriff. Durch diese Reaktion meinen wir, uns selbst verteidigen oder ein Argument mit noch mehr Entschiedenheit vertreten zu müssen, und verstärken ohne böse Absicht den Druck für unseren Partner. In vielen Partnerschaften folgt nun eine Phase des Rückzugs.

Die Phase des Rückzugs. Unser „primitives Gehirn“ reagiert auf einen Konflikt durch defensives Verhalten. Unsere spontanen, instinktiven Reaktionen heißen entweder „Kämpfen“ oder „Flüchten“. Wenn wir Angst verspüren und uns mit ei­nem Konflikt konfrontiert sehen, kämpfen wir entweder umso heftiger - oder wir ziehen uns zurück. Unser Partner reagiert auf unsere Abwehr mit Unsicherheit, Stress und Angst und bringt sein eigenes Verteidigungsmuster ins Spiel.

Manche Menschen reagieren also auf drohende Gefahr mit einem Fluchtimpuls. Das sieht wie ein Rückzug aus. Manchmal möchte Ihr Partner sich tatsächlich zu­ rückziehen, sich abschotten, ein wenig Raum für sich selbst haben, um in Ruhe nachdenken zu können.

Oder Ihr Partner und Sie reagieren bei einem Machtkampf durch „Erstarren“. Stellen Sie sich vor, ein Reh steht plötzlich im grellen Licht eines Such­schein­werfers. Vor Schreck steht es unter Umständen ganz starr und bewegt sich nicht, anstatt davonzulaufen. Es gibt verschiedene Erscheinungsformen dieser Reaktionbeim Menschen. Ihr Partner kann eine unbeteiligte Miene aufsetzen und unkommunikativ sein. Oder er blickt Sie entgeistert und mit offenem Mund an, während Sie eine verbale Erklärung fordern. Es ist auch eine Art der Erstarrung, wenn Sie und Ihr Partner lange Zeit in demselben Muster verharren und dieselben Verhaltens­wei­sen unablässig wiederholen, in der Hoffnung, endlich verstanden zu werden, durch Reden oder durch Schweigen.

Vielleicht vergessen Sie auch, was Sie sagen wollten, oder fühlen sich durch ei­nen Konflikt benebelt oder verwirrt. So denken Sie vielleicht: „Wenn ich mich nicht bewege, wird mich niemand bemerken!“ - der Versuch eines Täuschungsma­nö­vers. Menschen, die dieses Schutzmuster anwenden, versuchen, sich in den Hin­ter­grund zu retten und hoffen, dass sie nicht verletzt werden. Sie versuchen abzu­warten, bis der Partner den Konflikt „gelöst“ zu haben scheint. Dann seufzen sie tief vor Erleichterung und erwachen wieder aus ihrer Starre.

Wenn ein Konflikt zu lange andauert und beide Partner verschiedenste defensive Verhaltensweisen zeigen, gehen sie verständlicherweise auf Distanz. Schritt für Schritt ziehen sie sich zurück und versuchen, sich dadurch vor Schmerz zu schüt­zen.

Möglicherweise akzeptieren sie eine solche Situation und kommen zu dem Schluss, dass es sich aus verschiedenen Gründen dennoch lohnt, in der Be­zie­hung zu verbleiben, unter anderem deshalb, weil sie sich noch immer an die Phase der romantischen Liebe erinnern und hoffen, dass sie eines Tages zu diesem Zau­ber des Anfangs zurückfinden könnten. Sie entscheiden sich dafür, die Beziehung nicht zu beenden, sondern stattdessen „einzuschlafen“ und sich der Unaus­weich­lichkeit des Unglücklichseins zu fügen. Sie richten ihren Fokus auf äußere Inter­essen, die ihnen neue Energien schenken. So beginnt die Schlafphase ihrer Part­nerschaft.

Die Schlafphase. In der Schlafphase einer Partnerschaft fühlen wir uns zwar wohl mit unserem Partner, aber die sexuelle Komponente der Beziehung verliert an Bedeutung. In dieser Phase beschweren sich Paare oft über fehlendes Interesse an Sex, über sexuelle Dysfunktionen und über fehlende Lust. Sie fühlen sich von ihrem Partner abgelehnt, im Stich gelassen und entwickeln eine Abneigung gegen ihn. (Es gibt verschiedene körperliche Gründe für sexuelle Dysfunktionen, wie Medikamente gegen Bluthochdruck, Herzkrankheiten und erhöhtes Cholesterin, die Menopause, hormonelles Ungleichgewicht, Schilddrüsenmedikamente, die Anti-Baby-Pille und Antidepressiva. Wenn Sie unter einer sexuellen Dysfunktion leiden, Erektionsprobleme oder fehlendes Interesse an Sex bemerken, wenden Sie sich bitte an einen Arzt Ihres Vertrauens.)

An diesem Punkt einer Beziehung kann der Sex zu einer Art von Gewohnheitssex mutieren. Die Partner möchten einander Freude bereiten, allerdings mehr aufgrund ihrer körperlichen Bedürfnisse und aus Gewohnheit, als aufgrund von Sehnsucht und romantischen Gefühlen füreinander. In dieser Phase beginnen Partner, eine sogenannte „Parallelehe“ zu führen, indem sich jeder eine eigene „Welt“ aufbaut und darin Erfüllung sucht, anstatt seine Energie in die Partnerschaft zu investieren.

So beginnen unsere Leidenschaft und Erotik sich zu verflüchtigen. Wir sehen unseren Partner nicht mehr als erotisch an, sondern als jemanden, der uns Sicherheit gibt. Gleichzeitig fühlen auch wir selbst uns nicht gerade energiegela­den und erotisch. Im Grunde schlafen wir nämlich.

Die Aufwachphase. Zum Glück gibt es eine weitere Phase für Beziehungen - die so genannte Aufwachphase. Manchmal erkennt einer der Partner oder beide, dass ihre Partnerschaft professionelle Hilfe braucht, um zu den Gefühlen des Anfangs zurückzufinden oder in eine neue Phase der Leidenschaft und Verbundenheit ein­treten zu können. Das ist der Zeitpunkt, an dem viele Paare zur Therapie kommen. Ein Partner erkennt das Problem und möchte nicht weiter in der Schlafphase blei­ben. Beide Partner können sich noch erinnern, wie toll es sich angefühlt hat, ver­liebt zu sein und eine sexuell sehr aktive Beziehung zu haben. Sie wollen sich wieder energiegeladen und leidenschaftlich fühlen. Sie sind dazu bereit zu lernen, in einen neuen Gesprächsprozess einzutreten.

Wenn wir lernen, unsere erotischen Phantasien wahrzuhaben und unserem Part­ner anzuvertrauen, werden wir eine neue Art der Verbundenheit kennen lernen. Da­durch kann eine Partnerschaft langfristig wach und lebendig bleiben. Bevor die Aufwachphase einer Partnerschaft beginnen kann, müssen wir uns ansehen, wie es unseren erotischen Bedürfnissen mittlerweile ergangen ist.

Sehnsucht nährt unsere Liebe

Am Beginn einer Beziehung spielt die Erotik fast immer eine große Rolle. Unter Umständen hat sich das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit noch nicht durch­gesetzt, dafür haben wir sehr intensive sexuelle Gefühle und großes Ver­lan­gen nach unserem Partner, besonders wenn wir voneinander getrennt sind.

Wir denken sehr viel an den Partner, wenn wir nicht in seiner Nähe sein können, und malen uns in unserer Phantasie aus, wie jene Körperteile aussehen könnten, die wir noch nicht gesehen haben. Wir malen uns neue Liebesstellungen mit die­sem neuen Menschen in unserem Leben aus. Ungestilltes Verlangen steigert die sexuelle Anziehungskraft sehr. Wenn wir nicht zusammen sein können, überkommt uns große Sehnsucht nach unserem Partner.

Wir spüren romantische Liebe als intensives Verlangen nach unserem Geliebten - wir vermissen ihn. Und diese Sehnsucht erfährt oft eine romantische Verklärung. Fast alle Gedichte und Liebeslieder dieser Welt handeln von Sehnsucht und Trennungsschmerz. Die meisten von uns erleben Verliebtheit auf diese Weise.

Wenn eine Beziehung nicht mehr so neu ist, lässt die Sehnsucht etwas nach und wir arrangieren uns in einer netten und sicheren Form der Liebe, die uns Gebor­gen­heit schenkt, der es jedoch an Leidenschaft fehlt. Je größer die Vertrautheit wird, desto geringer wird die Sehnsucht. Es liegt schließlich keine Distanz mehr zwischen uns. Wir haben einen Partner gefunden, dem wir nahe sind und mit dem wir uns verbunden fühlen. Diese Phase der Beziehung ist wunderbar, sicher, warm und liebevoll. Und dennoch ist sie nicht mit jenem Glückszustand vergleichbar, in dem wir uns befunden haben, als wir frisch verliebt waren und uns nach Nähe und Verbundenheit sehnten.

...