Fragen Sie Dr. Bernhaut - Im Gespräch mit dem Psychiater und Ö3-Lebenscoach von Dr. med. Alexander Bernhaut

 

Der Ö3 Lebenscoach antwortet / Oft gestellte Fragen auf den Punkt gebracht!

 

 

Hallo, ich bin Dr. Bernhaut!

Geboren 1962 in Wien, verschlug es mich nach dem Medizinstudium an der UNI-Wien in den äußersten Westen Österreichs, nämlich nach Vorarlberg, ins „Ländle“, zur Fortsetzung und dem größten Teil meiner Facharztausbildung zum Psychiater und Neurologen.

Dort, im Landeskrankenhaus Rankweil - allgemein auch als „Valduna“ bekannt - bekam ich rückblickend betrachtet eine ausgezeichnete und fundierte „Lehre“ in einer der wohl modernsten Fachkliniken Österreichs. Meine enorm intensive Verbundenheit zu Vorarlberg besteht auch nach weiteren Jahren, in denen ich mittlerweile wieder in Wien lebe und als selbstständiger, niedergelassener Facharzt tätig bin.

In meine „Vorarlberger Zeit“ fallen auch die zusätzlichen psychoonkologischen (UNI-Klinik-Innsbruck) und psychoanalytischen (Bregenz) Ausbildungswege.

Seit nunmehr 20 Jahren betreue ich Menschen mit seelischen Beschwerden, seit Juli 2008 als Ö3-Lebenscoach auch live im Radio. Mein erstes Buch „Ein Indianer kennt keinen Schmerz?“ erschien im November 2009.

Als einen der wichtigsten Faktoren für das Gelingen der Behandlung psychischer Belastungen sehe ich die Bereitschaft zum offenen Dialog.

Inhalt

  7 Vorwort
  9 Danksagung
 11
Beziehungen
    Ohne dich kann ich nicht leben!
 99 Generationenkonflikt
    Hilfe, ihr nervt mich!
131 Essstörungen
    Ich kann doch nicht einfach zusehen?
141 Psychoonkologie
    Diagnose Krebs - Warum gerade ich?
153 Trauer
    Mein Leben ist so leer ohne dich!
161 Helfen
    Lass dir helfen, allein kannst du das ja doch nicht!
179 Leistungsanspruch
    Weiter, weiter, weiter ... ohne Leistung bin ich nichts!
187 Burnout-Syndrom
    So viel zu tun - ich kann nicht mehr!
205 Depressionen und Ängste
    Ich bestehe nur noch aus Angst und Traurigkeit

Hinweis

Alle Namen sind verändert, sodass Rückschlüsse auf die realen Personen nicht möglich sind.

Vorwort

Depressionen, das „Burnout-Syndrom“, Angst-, Panikattacken ... man könnte die Liste der Erkrankungen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie bzw. der Störungen im psychisch/seelischen Bereich - leider! - beliebig lange fortsetzen. Die eindeutigen Konsequenzen daraus: Psychische Belastungszustände sind weltweit im Vormarsch und meiner Meinung nach ist die Psyche eines der stärksten Organe von uns Menschen; wenn nicht DAS mächtigste. Warum? Ich antworte mit einer Gegenfrage: Was sagen Ihnen z. B. die Krankheitsbilder Asthma, Migräne oder Gastritis?

Falls Ihnen nicht allzu viel dazu einfallen sollte, ist dieses Buch genau richtig. Richtig steht - so hoffe ich jedenfalls - für Aufklärung im besten Sinne, soll heißen „für jedermann leicht verständlich“!
Auf den folgenden rund 240 Seiten werde ich versuchen, Ihnen die komplexen Themen Psychische Erkrankungen und seelische Störungen sowie das weite Feld der Beziehungskonflikte (Partnerschaften, Generationen, etc.) plausibel, kompetent und beispielhaft näherzubringen.

SIE sind übrigens Hauptbestandteil, eigentlich HauptdarstellerInnen dieses Buches, und zwar im doppelten Sinn. Abgesehen davon, dass ich diesen Ratgeber FÜR Sie geschrieben habe, kommen die inhaltlichen Inputs auch VON Ihnen. „Ihren“ Fragen an mich habe ich gerne meine fachmännische Aufmerksamkeit gewidmet.

Die Fragen, die ich hier beantworte, sind mir während meiner nunmehr fast 20-jährigen beruflichen Tätigkeit in Klinik (Spitälern) und eigener Praxis, in meiner Radiosendung „Dr. Bernhaut LIVE“ auf Hitradio Ö3 und natürlich auch in den verschiedensten privaten Umfeldern gestellt worden.

Als Facharzt für Psychiatrie, psychotherapeutisch Tätigen und - seit Sommer 2008 - medial Agierenden war es mir ein Bedürfnis und gleichzeitig ungeheure Motivation, meine Antworten nunmehr schriftlich in kompakter Form einer (hoffentlich) großen Leserschaft zu vermitteln.

Letztendlich resultierte dieses Bedürfnis aus zwei grundlegenden Tatsachen heraus:

  1. sind psychische Belastungszustände - wie schon anfangs erwähnt - immer häufiger anzutreffen,
  2. merke ich während meiner zwischenmenschlichen Begegnungen sowohl im Zuge der beruflichen Praxis als auch sequenzweise in meinem Privatleben, dass noch IMMER ein hohes Maß an Unwissenheit bezüglich seelischer Erkrankungen vorherrscht und dementsprechend oft Vorurteile, Klischees und Stigmatisierungstendenzen registrierbar sind.


Falls ich hiermit überdies einen Beitrag zu mehr Aufklärung und weniger abgedroschenem „Psycho-Denken“ unter der Bevölkerung leisten kann, so soll es mir mehr als nur recht sein. Die Welt werde ich wohl nicht verändern mit diesem Buch - so vermessen bin ich sicher nicht, dies zu glauben - wiewohl eine Änderung an den verschiedensten „psycho-sozio-globalen“ Stellen auf unserem Planeten dringend stattfinden müsste, weil auch gesellschaftliche Reizüberflutungen aller Art einen krankmachenden Faktor darstellen.

Aber vielleicht kann ich mithilfe meiner exemplarischen Antworten auf den nächsten Seiten einzelne menschliche Schicksale ein wenig verändern, im Sinne in die richtigeren Lebensbahnen zurücklenken oder einfach auch psychoprophylaktisch einwirken, je nachdem ob man sich (durch den Text) als Betroffener, Angehöriger eines Betroffenen oder schlichtweg Interessierter angesprochen fühlt.

Folgendes sollten Sie bitte beachten:

Dr. Alexander Bernhaut

Februar 2010

Danksagung


Ein besonderer DANK für das Zustandekommen dieses Buches gilt

Einen ganz speziellen Dank möchte ich hiermit auch noch dem Chef des Radiosenders HITRADIO Ö3, Herrn Georg Spatt, zukommen lassen - er weiß, warum.

Ohne dich kann ich nicht leben!

Beziehungen

Zynisch könnte man formulieren: JEDER will sie, VIELE führen sie, WENIGE sind wirklich glücklich mit ihr!

Von wem oder was ist hier die Rede? Von der BEZIEHUNG. Wobei DIE Beziehung gibt es ja auch nicht wirklich. Es gibt verschiedene Beziehungsformen, von denen - scheinbar ein Ur-Wunsch in uns Menschen - die „klassische“ Zweierbeziehung zwischen Mann und Frau noch immer, zumindest offiziell und mengenmäßig, das Hauptkontingent darstellt. Wobei klassisch in Verbindung mit  Zweierbeziehung mittlerweile auch mit homo- also nicht nur mit heterosexuellen Partnerschaften zu assoziieren ist. „Und das ist auch gut so!“, wie der (noch) amtierende Bürgermeister der Hauptstadt Deutschlands, ein bekennender Schwuler, einmal gesagt hat.

Ich, als heterosexueller Therapeut und Radio-Lebenscoach, kann dem deshalb nur beipflichten, weil

  1. in meinem Denken diesbezügliche Vorurteile oder gar Diskriminierung sowieso keinen Platz finden,
  2. immer häufiger (weil gesellschaftlich akzeptierter) - ordinationsbezogen - schwule und lesbische KlientInnen zu meiner „Kundschaft“ zählen und
  3. die Problemstellungen innerhalb von Partnerschaften, ob nun Hetero- oder Homo-Bezug, an sich sehr ähnliche Aspekte beinhalten.

Ok, kehren wir vom kleinen Ausflug der sexuellen Ausrichtung von Menschen wieder zum Kernthema zurück.

Seit den biblischen Protagonisten Adam und Eva, stellen wir uns zumindest vor, sind Strukturen wie Beziehung und Partnerschaft - verbunden mit Liebesgefühl-Welten (die Liebe!) und Ähnlichem - Ba-
sisessenzen der Menschheit; bis zum heutigen Tag!

Leider werden diese - mehrheitlich bis allseits gewünschten, innigst erstrebten - Essenzen immer wieder durch störende Zusatzstoffe beeinflusst, als Konsequenz auch in großer Zahl zerstört (das Beziehungs-Aus!).

Warum dies so ist, warum in Beziehungen - besonders Partnerschaften, Ehen - so viele Stolpersteine und Fallen lauern, warum manchmal alles so furchtbar kompliziert ist, obwohl die Liebe und das Lieben so einfach scheinen, wie viele Reibereien vermieden werden könnten - dies und noch vieles mehr erfahren Sie auf den nächsten Seiten!


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Anita, 32 Jahre alt, schildert mir Folgendes:
Ich habe zwei ganz schlimme Beziehungen hinter mir. Zwang,
Angst und Erpressung waren an der Tagesordnung. Ich bin jetzt
seit eineinhalb Jahren alleine und wollte eigentlich nie wieder Ge-
fühle zulassen. Dennoch habe ich nun einen jungen Mann ken-
nen gelernt, der sogar ausgesprochen nett ist; nur hab ich eine
„Panik“ vor einer festen Bindung, vor allem, dass es wieder so
werden könnte wie bei den vorigen Partnerschaften. Ich bin in
dieser Situation total hilflos! Was kann ich tun?


Liebe Anita!

Zum einen denke ich, dass Sie Ihre zwei traumatischen Beziehungserlebnisse emotional und gedanklich noch nicht vollständig „loslassen“, was im Grunde ganz normal ist. Im Sinne eines Selbstschutzes, der durchaus Sinn macht, sind Sie einfach hellhöriger und hellsichtiger, besonders im Bereich wie geht der andere (Mann) mit mir um, ist das so, wie ich mir Respekt und Achtung vor meiner Person vorstelle?

Natürlich wäre das Kippen in die andere, extrem ablehnende Richtung wahrscheinlich dauerhaft blockierend, was einen erwünschten Neubeginn einer möglichen Partnerschaft anlangt. Die Definition Panik, die Sie in diesem Zusammenhang gebrauchen, lässt ein wenig darauf schließen. Gott sei Dank schreiben Sie kurz danach „vor einer festen Beziehung“!

Diesen Ausdruck hört man praktisch andauernd, wenn es um das Thema Partnerschaft geht. Wobei mir persönlich vorkommt, dass wir Menschen uns (wieder einmal!) das (Beziehungs)Leben schwerer machen als notwendig! Weil, wo steht denn geschrieben, dass FEST gleichbedeutend sein muss damit, a) unbedingt ständig gemeinsam zu wohnen oder b) die so genannten Alltagsaktivitäten immer mit dem Partner abzusprechen oder c) alles, was es an ganz individuellen Bedürfnissen und Interessen gibt, ab nun in EINEM Topf zu finden und natürlich nur gemeinsam auszuleben?

Vielleicht hab ich grad insofern über das Ziel geschossen, als ich Ihnen, liebe Anita, a) bis c) fälschlicherweise in den geistig-emotionalen Mund legen wollte. Mag sein, nur seien Sie versichert, dass ich mit genau jenen festen Partnerabläufen - die Eifersucht ist da nur eine von vielen Un(Zu)taten - in meiner therapeutischen Praxis übermäßig häufig beschäftigt bin ...

Ihr Satz „Zwang, Angst ... an der Tagesordnung“ ist mir nur allzu gut in Erinnerung; dementsprechend logisch scheint mir Ihre geistige Verknüpfung zum Beiwort fest, und zwar nicht im positiven Sinn. Logisch ja, Anita, aber so simpel es klingen mag, nicht notwendig! Ich finde es mehr als in Ordnung, ich finde es menschlich, dass Sie wieder Liebesgefühle entwickeln können. Diese Gefühle prallen naturgemäß - noch! - auf geistig/rationalen Widerstand. Klar, wenn man das negativ Erlebte Ihrer früheren Partnerschaften ins analytische Kalkül zieht.

Aber: DIESER neue Mann, dieser neue Mensch in Ihrem Leben verdient eine so objektiv als mögliche Herangehensweise. Vor allem verdienen SIE es sich! Konkret verdienen Sie es sich, besonders das Wort FEST im Zusammenhang mit Beziehung anders mit Leben zu erfüllen; und wenn es für Sie leichter sein sollte, lassen Sie FEST einfach weg! Versuchen Sie stattdessen die Begegnungen mit diesem - Zitat Anita: „ausgesprochen netten, jungen Mann“ - bewusst zu erleben, wenn möglich zu genießen und denken Sie dabei nicht zu vorausschauend an etwaige partnerschaftliche Rahmenbedingungen, die vor allem Sie gedanklich nur einengen würden!


Wenn Sie diese ein, zwei Hausaufgaben einigermaßen meistern, so lösen Sie auf diese Weise einerseits ganz automatisch das Gefühl der Panik in sich auf und fühlen sich andererseits auch nicht mehr so hilflos.

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Silvia, 23 Jahre alt, schreibt:
Ich habe ein Riesenproblem! Bin in einen verheirateten Mann ver-
liebt, der mich auch sehr mag. Es tut jedoch so weh, wenn er
nicht bei mir ist. Ich komme aber nicht los von ihm. Zusätzlich ist
mein Selbstwert so gering, weil ich nicht einmal einen Haupt-
schulabschluss besitze. Detto keine Arbeit. Fühle mich auch so
kraftlos ... Gibt’s einen Ausweg?


Liebe Silvia!

Auch Sie sind eine von unzähligen Menschen, egal, ob weiblich oder männlich, die in die klassische Dreiecks-Liebesgeschichten-Falle getappt sind.

Wenngleich nicht alle dieser Geschichten ein Not Happy End haben, so doch die meisten!

Den Betroffenen nicht bewusster Hintergrund dieser durch unbändige Leidenschaft gekennzeichneten „Beziehungen“ ist die Tatsache, dass das Geheime, das Verbotene dieser Verhältnisse das eigentliche Salz in der partnerschaftlichen Suppe ist; und diese Suppe ist zumeist ordentlich versalzen!

Gerade WEIL Sie, liebe Silvia, diesen (verheirateten) Mann nicht „besitzen“, er für Sie NICHT jederzeit spürbar ist, Sie sich mit ihm NICHT völlig frei bewegen können, beeinflusst, ja beherrscht diese hochlibidinöse Situation Ihren Lebensalltag auf eine Art und Weise, die - und da werden Sie mir recht geben - oft selbstzerstörerische Tendenzen nach sich zieht. Selbstzerstörerisch und vor allem Kräfte raubend. Stellen Sie sich z. B. einen heroinabhängigen Menschen vor. Haben Sie das Bild vor sich? Wenn er sich (s)eine Dosis gegeben hat, ist er „glückselig“, euphorisch, in einer anderen, in DER besseren Welt ... Aber wenn die Wirkung des Stoffes nachlässt, kein Nachschub vorhanden ist, dann beginnt es wehzutun, geistig-seelisch und körperlich, dies verbunden mit der sich fast minütlich steigernden Sehnsucht nach ... Ok, ich ahne es, Sie erkennen Parallelen zu Ihrer Situation mit diesem „besetzten“ Mann! Wir waren unter anderem bei „Kräfte raubend“ stehen geblieben. Natürlich schöpfen Sie während Ihrer Begegnungen mit Ihrem Liebhaber enorme Energie, Sie denken positive Energie, ICH meine pseudo-positive! Pseudo deshalb, weil Sie in den Sequenzen OHNE Liebhaber wahrscheinlich doppelt so viel an Energie verlieren, als Sie in den extrem sinnlich-sexuell überlagerten und geheimen Treffen zurückbekommen! Ich schreibe das deshalb so ausführlich, weil auch Ihnen, liebe Silvia, scheinbar nicht klar ist, WARUM Sie sich „so kraftlos“ fühlen.
Aber weswegen tappen Sie (und wie schon erwähnt zig Tausende andere; die berühmte Dunkelziffer ist enorm!) eigentlich in diese Liebes-Lebensfalle?

Wie sooft geben sich Patienten, Klienten, Hilfesuchende in Wirklichkeit selbst die Antwort; so auch Sie, Silvia.
Sie schreiben: „zusätzlich ist mein Selbstwert so gering“. Eigentlich müsste es statt zusätzlich „weil mein Selbstwert so gering ist“ heißen!

Wobei Sie auch hier - Thema (zu wenig) SELBSTWERT - sozusagen in bester Gesellschaft mit einer riesigen Anzahl von Leidensgenossen sind! Um bei dem Suppen-Beispiel von vorhin zu bleiben:
Den meisten von uns wird in unsere Lebens-Suppe viel „eingebrockt“, was wir zumeist selbst im Laufe der Jahrzehnte auszulöffeln haben. Und mit viel ist nicht nur Gutes gemeint ... und dieses Nicht-Gute prägt genauso wie das Gute ... nur in die Gegenrichtung, z. B. gegen einen hohen Selbstwert bzw. das eigene Gefühl dazu.

Kurzes - zugegeben plastisches - Beispiel: Glauben Sie, dass ein Kind, welches quasi tagtäglich, und das angenommen zehn Jahre hindurch, hört, wie „saublöd“ es sich wieder einmal angestellt hat, glauben Sie, dass so ein Kind als erwachsener Mensch vor großem Selbstvertrauen nur so strotzt? Na sehen Sie!

Silvia, und irgendeinen Grund - nicht unbedingt ausschließlich den von Ihnen mit besten Wissen und Gewissen angebotenen (kein Hauptschulabschluss) - gibt es auch bei Ihnen für Ihr augenscheinlich massiv reduziertes Selbstwertgefühl. Wir können sogar davon sprechen, dass Ihr SELBST-Respekt, Ihre SELBST-Achtung, Ihre gesamte Ich-Identität mangelhaft (aus)geprägt ist, eigentlich (aus)geprägt wurde.

Und hier schließt sich der Teufelskreis - Sie kommen nicht los von ihm, weil Sie unbewusst nach folgender geistig-emotionaler Gleichung agieren: „Wenn sich ein besetzter, weil verheirateter Mann,
dann (irgendwann = der immerwährende Strohhalm, der in 90 Prozent der Fälle eine Fata Morgana bleibt ...) DOCH für mich entscheidet, ja dann MUSS ich ja liebenswert sein!“

Aus der Psychologie übersetzt: Wenn aus einer schier ausweglosen, weil geheimen und damit verbotenen, Liebesbeziehung noch ein Happy End würde (dies spielt sich im Kopf fast ausnahmslos im Konjunktiv ab), dann war es auch die wahre Liebe des ehemals Besetzten! Konkret Silvia: „Ihr“ verheirateter Mann würde sich für Sie von seiner Frau trennen, am besten auch scheiden lassen, DAS wäre der Liebesbeweis schlechthin; und so einen Beweis suchen Sie ... unbewusst wohlgemerkt ... Sehnsucht kommt auch von suchen. Und Sie verspüren doch in einsamen Nächten oder am Morgen beim alleinigen Aufwachen diese enorme Sehnsucht nach ihm ... und diese Leidenschaft, wenn er dann wieder bei Ihnen ist ... die schafft wahrlich Leiden (Enttäuschung, Kränkung, Leere), wenn
ER wieder geht!

Liebe Silvia, Sie fragen mich: „Gibt’s einen Ausweg?“
Die Antwort auf Ihre grundsätzliche Frage lautet: JA!
Meines Erachtens gibt es sogar mindestens drei (Aus)Wege zum
Ziel.

Übrigens: Was ist Ihr Ziel? Loskommen von Ihrem verheirateten Mann? Stimmt, vordergründig. Das Über-Ziel muss lauten: loskommen von ihm und zu sich kommen! Pathetisch formuliert: Frieden mit
Ihrem Ich schließen und es sukzessive aufbauen
. Eventuell mithilfe professioneller, therapeutischer Begleitung.

Letzteres wäre im Übrigen meine Empfehlung Nr. 1.

Ich spekuliere nun ganz bewusst und argwöhne, dass schon sehr viel in Ihrem noch jungen Leben - durchaus ohne Ihr Zutun - falsch gelaufen sein muss, damit Sie ohne einen Grundschulabschluss dastehen müssen. Welche menschlichen Fehlerquellen dafür haupt- oder mitverantwortlich zeichneten, bewusst oder unbewusst, weil Sie es einfach nicht besser konnten, auf diese Frage will ich mich hier nicht einlassen. Nur so viel: Ich denke, es gäbe bei Ihnen vieles aufzuarbeiten, wobei Sie die Hilfe von Fachleuten sehr gut brauchen könnten. Die Möglichkeit gibt es und sie existiert auch für Sie, eine junge Frau, die sich private Psychotherapien ziemlich sicher nicht wird leisten können.

Im besten Fall sollte Ihnen eine begleitende Psychotherapie helfen, beide Ziele zu erreichen!

Die Auswege Nummer zwei und drei können nur sehr eingeschränkt als solche bezeichnet werden, aber lesen Sie selbst:

Falls Sie sich hin und wieder im Freundes- oder Bekanntenkreis umhören, dann wird Ihnen nicht entgangen sein, dass es in sehr vielen „festen“ Beziehungen - sagen wir einmal - nicht gerade optimal läuft. Warum auch immer, lassen wir es einmal so stehen. EINEN großen Vorteil hätte ja Ihre Form der Beziehung (die ich im Übrigen moralisch nicht bewerten möchte): Wenn Sie die Zeiten des Beisammenseins einblenden und die restlichen Phasen vorerst einmal ausblenden, was bleibt? Genau! Glücklich sein, erotisch-sexuelle Erfüllung und keine Langeweile. Wenn es Ihnen nun im Sinne des learning by doing gelingen sollte, die erwähnten restlichen Phasen nicht unbedingt ausblenden zu müssen, sondern mit dem Ausleben anderer, nicht Mann-fixierter Interessen und Bedürfnisse zu füllen, einfach die „andere“ Zeit als für Sie ganz persönlich freie, freiverfügbare Zeit
(im positiven Sinn!) zu betrachten, dann wäre das sicher ein möglicher (Aus)Weg.

Der dritte Ausweg ist eigentlich die vermeintlich passivste Option.

Da ich mich quasi schriftlich schon ziemlich verplaudert habe beim Beantworten Ihrer Frage, liebe Silvia, mach ich’s jetzt wirklich relativ kurz.

Dazu fallen mir ein paar Redewendungen ein, die sich auch wirklich - hin und wieder zumindest - bewahrheiten. So zum Beispiel: „Aus Schaden wird man klug.“

Kann - auch in Ihrem Fall - zutreffen. Unter dem Motto - Achtung, wieder etwas Sprichwörtliches! - „Beim 6. Mal greift das Kind dann nicht mehr auf die heiße Herdplatte“ brauchen Sie scheinbar noch einige seelische Ohrfeigen, um wirklich aufzuwachen, um irgendwann vor einem imaginären Spiegel zu stehen und sich schlichtweg zu sagen: So, aber JETZT reicht’s! Weniger Selbstachtung will ich mir nicht antun und antun lassen, ich entscheide mich HEUTE für mich! Ich will mir mehr wert sein, als von einem Menschen abhängig zu sein wie andere von Alkohol oder Drogen! Ich will nicht mehr Minuten zählen, bis ER kommt, bis ER anruft, und ich will mich auch nicht länger gedemütigt verhalten, indem ich zigmal darum bettle, DASS er kommt und DASS er anruft ...

Zum Schluss verrate ich Ihnen noch etwas: Die meisten Menschen, die in einer ähnlichen Situation wie Sie stecken, entscheiden sich (leider?) mehr oder minder bewusst und freiwillig für Variante 3. Und bei vielen war es NICHT zu spät für eine der wichtigsten Lebenserkenntnisse im zwischenmenschlichen Zusammenhang. Der Erkenntnis: Ich will mir in meinem Leben viel wert sein, gehe mit Achtung und Respekt mit mir um und verlange das auch von meinen Mitmenschen.

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Dieter, 29 Jahre alt, erzählt folgendes Problem:
Sehr geehrter Herr Dr. Bernhaut!
Ich will mich kurz fassen. Seit fast zwei Jahren ist meine letzte
Beziehung zu Ende und ich bin bis heute noch nicht drüber hin-
weg. Immer wieder wache ich nachts auf, suche die Nähe der
(Ex)Partnerin und realisiere schmerzlich: da liegt NIEMAND ne-
ben mir. Andere Beziehungsversuche scheiterten kläglich, weil
ich dauernd Vergleiche zur Ex gemacht hatte. Parallel dazu ziehe
ich mich immer mehr zurück, komme mir schon wie ein „Ein-
siedler“ vor - ein Teufelskreis, wie ich finde! Aus dem ich WIE her-
auskomme?


Lieber Dieter!

Grundsätzlich gibt es, ähnlich wie beim Trauern um einen verstorbenen Menschen, auch in Ihrem Fall - dem Verlassenwerden durch eine Ex-Partnerin -, kein Patentrezept, wie lange ein (seelischer) Schmerz darüber zu dauern hat. Sicherlich klingt zwei Jahre viel, zugegeben. Andererseits ist die Frage die, wie Sie diese zwei Jahre genützt bzw. was Sie zwischenzeitlich erlebt haben und wie Sie mit der Situation umgegangen sind. Faktum scheint zu sein, dass Sie recht schnell auf Suche nach Ersatz gegangen sind, was sicherlich eine quasi normale Reaktion vieler „Verlassener“ sein kann, jedoch aus zwei Gründen nicht gerade optimal ist:

 

  1. Weil Sie schlichtweg Ihre Ex-Beziehung kaum bis gar nicht verarbeitet haben, sprich das „nur“ Mit-sich-Sein nicht lang genug durchgehalten haben ... was aber notwendig ist, um mit sich und vor allem mit seinem ramponierten Selbstwertgefühl wieder Frieden zu schließen bzw. seine Ich-Stärke erneut aufzubauen!
  2. Und daher - dies hängt eindeutig mit 1. zusammen - fällt es einem dann naturgemäß eher schwer, andere, „neue“ Menschen, die potentielle Partner sein könnten, NICHT mit dem ehemaligen Lebensgefährten zu vergleichen!


Wobei ein gewisses Vergleichen absolut natürlich ist. Denken Sie nur daran, wie wir Menschen uns in anderen Lebenssituationen verhalten! Wir müssen und sollen teilweise sogar Vergleiche anstellen, weil jeder von uns mehr oder weniger eingeprägte Wunschvorstellungen hat; und so fernab jedweder Logik ist es halt auch wiederum nicht, die Partnerschaftssuche mit banaleren Dingen, wie z. B. einer Restaurant- oder Möbelstücksuche, zu vergleichen. Ich weiß ja persönlich auch, dass ich z. B. Salami-Pizza nicht mag! Und NATÜRLICH sind wir positiv sensibilisiert, wenn uns ein Körpergeruch, sogar ein bestimmtes Parfum mehr als nur behagt hat, die Form und der Ausdruck von Augen in uns haften blieb oder die Stimme eine zärtliche Wohligkeit vermittelte. Solche „Elixiere“ kann man mental nicht so einfach abschütteln, wie schon erwähnt, muss man auch nicht unbedingt.

Die letzten Sätze sollten Ihnen einfach auch Mut machen. Mut, dazu zu stehen, dass Sie diese Ex-Frau enorm geprägt hat in Ihrer Gefühlswelt, dass so was auch nicht täglich passiert, soll heißen: Als einer, der richtig geliebt hat und geliebt wurde (davon gehe ich aus), sind Sie im gewissen Sinn auch ein Privilegierter! ... Klar wollen wir Menschen das Angenehme, das Schöne, das Wunderbare am liebsten ewig genießen, nur, lieber Dieter, die Wörter ewig, immer und nie, kann und sollte man getrost aus seinem Sprachschatz streichen. Im wahren Leben haben sie praktisch keine Relevanz!

Zum Schluss will ich noch auf Ihre Sorge eingehen, Sie würden sich schon wie ein Einsiedler fühlen. Ganz ehrlich, ich wage zu behaupten, dass ein bisschen „Einsiedlertum“ gar nicht schaden würde. Dann nämlich, wenn es zur Folge hätte, dass Sie noch intensiver als bisher sich und Ihrem Schmerz - auch ganz alleine - begegnen. Natürlich nicht ohne emotionalen und sozialen „Airbag“. Damit meine ich die Zuhilfenahme der Gesellschaft von Menschen in Ihrer Umgebung, zu denen Sie Vertrauen haben, wenn es einmal mit dem Mit-sich-Sein gar nicht mehr geht!

Dann gibt es last but not least die Version: Ich setze mich mit allen Facetten meiner ehemaligen Beziehung, dieser Frau und mir selber auseinander, alleine und auch mit Hilfe von Freunden oder Verwandten, Arbeitskollegen oder sogar „Zwischendurch-Fremden“ - aber weiterkommen? Leider Fehlanzeige! Ok, Dieter, dann ist ein prolongierter Leidensdruck entstanden, der durch natürliche, selbst regulierende psychohygienische Maßnahmen mit autosuggestivem oder fremd unterstützendem Hintergrund dennoch therapieresistent geblieben wäre. Sie haben es registriert, das Wort Therapie, welches in der Definition therapieresistent steckt ... Das ist absolut eine Option, der Sie dann größtmögliche Aufmerksamkeit schenken sollten. Sich professionell helfen lassen, wäre demnach der nächste Schritt.

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Stefan, 17 Jahre alt, berichtet:
Ich bin mit einem Mädchen zusammen, dem ich am liebsten
sagen würde, dass ich ohne sie nicht leben will. Aber irgendwie
will ich sie auch nicht überfordern ... Was raten Sie mir?

Lieber Stefan!

Genau DAS würde ich ihr auf keinen Fall sagen! Weil so ein Satz ist - Sie haben völlig recht - nicht nur überfordernd für Ihre Freundin; dieser Satz ist eine schwerste Bürde! Stellen Sie sich doch bitte vor, was das für einen (noch dazu sehr jungen) Menschen bedeutet: Ihre Freundin wäre dann - pathetisch ausgedrückt - für IHR Leben (nämlich Ihres, Stefan) hauptverantwortlich, weil Sie ja wortwörtlich daran denken, Ihrem Leben ein Ende zu setzen, falls z. B. Ihre Freundin mit Ihnen Schluss machen würde. Es könnte sein, dass „Ihr“ Mädchen das eine geraume Zeit lang aushält, aber diese Zeit ist wahrlich enden wollend, davon können Sie ausgehen. Sie würden diesen Menschen enorm unter Druck setzen - „Liebe mich ewig, wenn nicht, bring ich mich vielleicht um“ - DAS ist eigentlich Ihre Botschaft. Das wäre für Sie selbst umgekehrt doch auch nicht angenehm, oder?

Noch etwas würde passieren. Sie signalisieren damit eindeutig: Du, meine liebe Freundin, bist der „starke Teil“ unserer Beziehung, ich „der schwache“. Ganz ehrlich, auch wenn es so sein sollte, müssen Sie es auf solch eine Weise nicht extra ultra-dick unterstreichen. Ich halte nichts von Strategie innerhalb von Partnerschaften, die Praxis zeigt jedoch, dass die Menschen ganz ohne auch nicht auskommen. Also, Stefan, lassen Sie so was bleiben.

Stattdessen ist meine dringende Empfehlung an Sie, sich abgesehen vom alles überstrahlenden Highlight Beziehung zu diesem Mädchen auch (wieder) auf andere Lebensinhalte zu besinnen! Freunde nicht vernachlässigen, Ihren Hobbys, falls vorhanden, weiterhin nachgehen usw. Nur wenn Sie Ihrer Partnerin vermitteln, he, ich finde nicht nur an dir und unserer Beziehung Gefallen, nein, ich erfreue mich auch an anderen Dingen, nur dann besteht meiner Meinung nach die Chance, eine lange und harmonische Zweisamkeit zu erleben!

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