Ohne Wenn und Aber von Harville Hendrix, Ph. D.

 

Sie sehnen sich nach der Liebe Ihres Lebens?

 

 

Über dieses Buch

Nach einer fehlgeschlagenen Liebe sehnen Sie sich danach, den Partner fürs Leben zu finden, doch Sie begegnen einfach nie dem richtigen? Sie haben Angst vor neuerlichen Verletzungen?

Dieses Werk von Harville Hendrix, Ph.D., ist ein geheimer Schatz, der darauf wartet, von Paaren und von Singles gehoben zu werden. Durch die Beschäftigung mit unserer Kindheit, mit unseren verlorenen und verdrängten Selbstanteilen können wir zu unserer vollen Lebendigkeit zurückfinden.

Harville Hendrix, Ph.D., zeigt in diesem Buch - ergänzt mit zahlreichen lohnenden Übungen - Möglichkeiten zu positiven Veränderungen auf, um dauerhafte Liebe zu erreichen:

 

Harville Hendrix, Ph.D.,

ist Psychotherapeut mit mehr als dreißigjähriger Erfahrung. Er hat in Zusammenarbeit mit seiner Frau Helen LaKelly Hunt, Ph.D., die Imago-Therapie entwickelt, diesen wirklich einzigartigen Heilungsprozeß. Harville arbeitet in seiner eigenen Praxis, leitet Workshops, bildet Eheberater aus und leitet das Institut »IMAGO RELATIONSHIPS INTERNATIONAL« in New York, wo er mit seiner Familie lebt.

 

 

 

Harville Hendrix, Ph. D.

Ohne Wenn
und Aber

Zur Liebe fürs Leben - für Singles und Paare!
Aus dem Amerikanischen übersetzt von
Claudia Preuschoft

 

 

 

FÜR ALLE MEINE KINDER
Hunter, Leah, Kimberly, Kathryn, Mara und Josh
Damit ihre künftigen Ehen Erfolg haben!

 

 

Inhalt


Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
 

Teil I Vom Alleinleben und dem Bedürfnis
       nach Bindung  . . . . . . . . . . . . . 15
  1. Single - na und?  . . . . . . . . . . . . 17
    Rites de passage . . . . . . . . . . . . . 18
    Vergessen Sie die Partnersuche!  . . . . . 30
  2. Die Dynamik von Liebesbeziehungen . . . . 32
    Die Imago: Unser Geistpartner  . . . . . . 34
    Übung 2A Selbsterkenntnis-Inventur . . . . 38
    Aus vergangenen Beziehungen lernen . . . . 41
    Übung 2B Die Imago . . . . . . . . . . . . 42
    Übung 2C Beziehungsfrustrationen . . . . . 44
    Übung 2D Ihre unbewußte Beziehung  . . . . 46
  3. Die menschliche Reise . . . . . . . . . . 48
    Die kosmische Reise: Sehnsucht nach
    Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . 48
    Die evolutionäre Reise: Sehnsucht nach
    Lebendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 52
    Auf der Suche nach voller Lebendigkeit . .
  57


Teil II Das Imago-Puzzle: 1. Die Erziehung . . 61
  4. Wachsende Schmerzen: Entdeckung der
     Kindheitswunden . . . . . . . . . . . . . 63
     Die Entwicklungsstadien . . . . . . . . . 69
  5. Bindungs- und Entdeckerphase:
     Das Bilden einer sicheren Beziehung . . . 74
     Die Bindungsphase: Der Kampf um die
     Existenz  . . . . . . . . . . . . . . . . 74
     Zwischenspiel: Der Minimierer und
     der Maximierer  . . . . . . . . . . . . . 81
     Übung 5A Verletzungen in der
     Bindungsphase . . . . . . . . . . . . . . 83
     Die Entdeckerphase: Liebesaffäre
     mit der Welt  . . . . . . . . . . . . . . 86
     Übung 5B Anpassungen an Verletzungen
     in der Entdeckerphase . . . . . . . . . . 94
  6. Identität und Kompetenz: Ein Ich werden . 96
     Identität: »Das bin ich«  . . . . . . . . 96
     Übung 6A Anpassung an Verletzungen in der
     Identitätsfindungsphase . . . . . . . . . 103
     Kompetenz: »Ich kann das« . . . . . . . . 105
     Übung 6B Anpassungen an Verletzungen
     in der Kompetenzphase . . . . . . . . . . 110
  7. Verantwortung und Nähe:
     In die Welt hinaus  . . . . . . . . . . . 112
     Soziale Verantwortung: »Ich gehöre dazu«  114
     Intimität: »Ich kann Nähe herstellen
     und liebevoll sein« . . . . . . . . . . . 117
     Übung 7A Anpassungen an Verletzungen
     in der Phase sozialer Verantwortung . . . 119
     Übung 7B Anpassungen an Verletzungen
     im Intimitätsstadium  . . . . . . . . . . 123
     Übung 7C Bin ich ein Minimierer oder
     ein Maximierer? . . . . . . . . . . . . . 125
     Übung 7D Erkennen Sie das verletzte Kind
     im Erwachsenen  . . . . . . . . . . . . . 126
  8. Traumatisierte Beziehungen:
     Das Vermächtnis zerrütteter Familien  . . 127
     Eine Frage des Ausmaßes . . . . . . . . . 127
     Alles Trauma  . . . . . . . . . . . . . . 130
     Emotionale Gewalt . . . . . . . . . . . . 135
     Wer trägt die Schuld? . . . . . . . . . . 137
     Stammen Sie aus einer dysfunktionalen
     Familie?  . . . . . . . . . . . . . . . . 140
     Wie kann ich das Muster durchbrechen? . . 144

Teil III Das Imago-Puzzle: 2. Die Sozialisation
         in der Kindheit
. . . . . . . . . . . 147
  9. »Zu deinem eigenen Besten«: Die
     Botschaften der Sozialisation . . . . . . 149
     Die Botschaften der Sozialisation . . . . 154
     Der Einfluß unserer Überzeugungen . . . . 156
     Die Heulsuse und die Zicke  . . . . . . . 158
     Das ganze Ich . . . . . . . . . . . . . . 162
     Übung 9A Die Ehe Ihrer Eltern . . . . . . 164
     Übung 9B Entdecken Sie Ihr Glaubenssystem 167
 10. Die Wiederentdeckung des Fehlenden Ichs:
     Das geheime Ziel der Liebe  . . . . . . . 168
     Verlieben: Wiederfinden, was verloren war 172
     Wieder ganz werden  . . . . . . . . . . . 178
     Übung 10A Ihr Verborgenes Ich . . . . . . 179
     Übung 10B Ihr Verlorenes Ich  . . . . . . 182
     Übung 10C Ihr Verleugnetes Ich  . . . . . 183
 11. Geschlecht und Sexualität:
     Make love, not war  . . . . . . . . . . . 185

     Es lebe der Unterschied!  . . . . . . . . 190
     Hat die Kultur schuld?  . . . . . . . . . 193
     Rollenspiele - Verlust des Ichs . . . . . 195
     Die Aneignung des Gegengeschlechtlichen
     Selbst:
     Gegen den Strom schwimmen . . . . . . . . 197
     Die Entwicklung des »anderen« in
     sich selbst . . . . . . . . . . . . . . . 200
     Sexualität: Ich Tarzan, du Jane . . . . . 204
     Übung 11A Ist Ihre Geschlechtsenergie
     im Gleichgewicht? . . . . . . . . . . . . 210
     Übung 11B Ihr Sexuelles Ich . . . . . . . 213

Teil IV Die Reise der Partnerschaft  . . . . . 219
 12. Die Imago: Das Rezept für Verliebtheit! . 221
     Die Imago: Die Quintessenz unserer
     Kindheitserfahrung  . . . . . . . . . . . 221
     Demaskieren der Imago . . . . . . . . . . 231

     Übung 12A Demaskieren der Imago . . . . . 231
     Übung 12B Kindheitsfrustrationen  . . . . 233
     Übung 12C Die unbewußten Wünsche
     aus der Kindheit  . . . . . . . . . . . . 234
 13. Partnerschaft: Der Weg zur Bewußtheit . . 236
     Die unbewußte Beziehung . . . . . . . . . 237
     David und Sarah . . . . . . . . . . . . . 240
     Bewußt werden: Der Wendepunkt . . . . . . 246
     Die bewußte Ehe . . . . . . . . . . . . . 251

Teil V Der bewußte Single  . . . . . . . . . . 257
 14. Von der Einsicht zur Integration:
     Grundlegende Strategien der Veränderung . 259
     Die Bedingungen für Veränderung . . . . . 265
     »Meine Güte, hast du dich verändert!« . . 272
 15. Neue Fähigkeiten, neue Verhaltensweisen:
     Schritte zur Selbstintegration  . . . . . 273
     Übung 15A Die Schritte auf dem Weg
     zur Ganzheit  . . . . . . . . . . . . . . 275
     Übung 15B Der sichere Ort . . . . . . . . 276
     Lebendigkeit  . . . . . . . . . . . . . . 278
     Übung 15C Ihr Lebendigkeitsquotient . . . 279
     Übung 15D Quellen von Lebendigkeit  . . . 281
     Übung 15E Ankurbeln der Lebendigkeit  . . 284
     Übung 15F Der Lebendigkeitsplan . . . . . 287
     Übung 15G Aneignung und Verändern
               negativer Verhaltensweisen  . . 289
     Übung 15H Die Kunst des
               »Intentionalen Dialogs« . . . . 291
     Übung 15I Das Festhalten von Projektionen 294
     Übung 15J Bitten um Verhaltensänderungen  296
 16. Wirkliche Liebe: Das wiedergefundene
     Paradies  . . . . . . . . . . . . . . . . 300

Anmerkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
Danksagungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
IGÖ - Imago Gesellschaft Österreich  . . . . . 317

Hinweis: Die Arbeitsblätter zu allen Übungen finden Sie auch im DIN A4-
Format als PDF-Download unter der Webadresse : // nur im Buch //

Einführung

Einführung
Ich kenne Ihre persönliche Geschichte nicht. Ich vermute aber, daß Ihnen, wie den meisten alleinstehenden Erwachsenen, die Schmerzen und die Desillusionierung einer fehlgeschlagenen Liebe nicht fremd sind. Sie wünschen sich sehnlichst, sich zu verlieben und zu heiraten. Doch Sie begegnen einfach nie dem richtigen Mann oder der richtigen Frau. Oder Ihre Liebe wird nicht erwidert, oder der, den Sie lieben, möchte sich nicht binden. Vielleicht sind Sie geschieden - möglicherweise nicht zum erstenmal. Oder Sie leben getrennt und sind qualvoll emotional und finanziell in die Hinterlassenschaften einer gescheiterten Ehe verstrickt. Sind Sie homosexuell, treffen Sie erschwerte Bedingungen für eine verbindliche Beziehung, zumal unsere Gesellschaft nicht-heterosexuellen Ehen die Anerkennung verweigert. Und wenn Sie verwitwet sind, können Sie sich keine neue Liebesbeziehung vorstellen, wenn das bedeutet, ausgehen oder Kontaktanzeigen aufgeben zu müssen.

Bestand Ihr Liebesleben bisher aus einer Serie von One- oder Three-night-Stands? Der andere war nicht der Richtige oder Sie nicht der Richtige? Aber das läuft auf das gleiche hinaus: auf ein Neues. Vielleicht haben Sie auch den Punkt erreicht, wo Sie nur noch mit jemandem ins Kino gehen oder mit jemandem schlafen wollen. Doch Sie verlieben sich einfach nie. Sie sind schnell gelangweilt und empfinden die Vorstellung von einer dauerhaften Beziehung als bedrohlich. Ihre derzeitige Beziehung verspricht nicht dauerhaft zu werden. Ihr Partner ist nicht der Mensch, an den Sie dachten. Sie sind sich sicher, daß Sie bald wieder allein sein werden.

Alleinstehende haben heute vielfältige Möglichkeiten. Dennoch herrscht tiefe Verwirrung. Viele haben den verzweifelten Wunsch nach einer dauerhaften Liebesbeziehung. Ehe und verbindliche Beziehungen jedoch scheinen schwer definierbar und mit Gefahren beladen zu sein. Die Drohung, tief verletzt zu werden und ein gebrochenes Herz davonzutragen, wiegt schwer. Es ist kein Wunder, daß viele Alleinstehende heute verzweifelt sind bei ihrer Suche nach einem Partner, irgendeinem Partner. Andere, entmutigt, es noch einmal zu probieren, geben auf und ziehen sich wie verwundete Tiere in ihre Höhlen zurück, um ihre Wunden zu lecken. Lieber versuchen sie, das Beste aus ihrem Single-Dasein zu machen, wenden sich ihrer Arbeit und ihren Freundschaften zu, ihrem Zuhause und ihren Hobbys. Resigniert gehen sie - wenn überhaupt - vielleicht gelegentlich oberflächliche Beziehungen ein. Ich habe große Sympathie für sie. Das Gefühl, daß es beim nächsten Mal kaum anders sein wird als beim letzten Mal und man allein doch besser dran ist, ist nur zu verständlich. Und doch... die meisten von uns hegen immer noch den Traum von einer dauerhaften Liebe. Wir hoffen immer noch, daß sie uns begegnet.

Ich glaube, dieser Traum kann Wirklichkeit werden. Jeder, der ihm nachgeht - ob Sie schon einmal verheiratet waren oder nicht, geschieden sind, verwitwet, schwul oder lesbisch, alt oder jung -, kann ihn sich erfüllen. Seine Erfüllung entscheidet über unsere Ganzheit. Es ist die Absicht dieses Buches, Ihnen zu zeigen, wie Sie diesen Traum wahr machen können. (Anmerkung: Ich möchte darauf hinweisen, daß das Material in diesem Buch sich auch auf homosexuelle Alleinstehende bezieht. Ich hoffe sehr, daß homosexuelle Männer und Frauen es nützlich finden werden. Direkter aber wendet es sich an heterosexuelle Singles.)

Eine persönliche Bemerkung

Seit über zehn Jahren arbeite ich mit Paaren, die Probleme mit ihren Beziehungen haben. Diese Arbeit ist oft entmutigend und herzzerreißend. Die Partner sind voller Wut, Enttäuschung und Schmerz. Sie fühlen sich betrogen von ihren Partnern - und von der Liebe. Sie sind gefangen in einem Strudel starker Gefühle und festgefahrenem Verhalten, verständnislos darüber, daß ihre Freude sich in Luft auflöste und ihre Liebe zu Staub wurde. Ich bin ebenfalls oft entmutigt. Ich weiß, daß sie zur Rettung ihrer Ehen viel lernen müssen - über sich selbst und über Beziehungen. Aber zu oft sind sie überwältigt von ihren alltäglichen Konflikten. Für den langen, mühsamen Prozeß der Umerziehung und des Sich-wieder-Verliebens ist es zu spät. Die Schwierigkeiten sind zu groß, egal wie sehr sie wünschen, daß alles wieder gut wird.

Ich habe das selbst an meiner ersten Ehe erfahren müssen. Als psychologischer Berater der Kirche reichten offenbar meine jahrelange Therapie und besten Absichten nicht aus, um die Dinge wieder zurechtzurücken. Heute erkenne ich, daß es uns ein Geheimnis blieb, was eine dauernde Liebe ausmacht, ebenso den Therapeuten, mit denen wir arbeiteten. Wir verfügten einfach nicht über die Informationen und die Fähigkeiten, die für das Überleben unserer Partnerschaft notwendig gewesen wären. Ich war am Boden zerstört über das Scheitern unserer verzweifelten Versuche. Das veranlaßte mich zu meinen Studien. Ich konzentrierte mich darauf, die wahre Natur und den tieferen Zweck von Beziehungen zu erforschen. In dieser Zeit entwickelte ich die Theorie der Imago-Beziehung und die Praktiken der damit verbundenen Therapie, die diesem Buch zugrunde liegen. Jetzt bin ich glücklich in einer Ehe, die sehr anders funktioniert. Manchmal aber frage ich mich, was geschehen wäre, wenn ich damals nur gewußt hätte, was ich heute über Beziehungen weiß, nicht nur für mich, sondern auch für die Paare, die ich mit derart frustrierenden Ergebnissen beriet.

Es ist das Gefühl »Wenn doch nur ...«, das mich dazu anregte, dieses Buch zu schreiben. Einmal abgesehen von Ihrer individuellen Geschichte und Ihrem gebrochenen Herzen haben Sie als Alleinstehender einen Vorteil gegenüber Verheirateten. Die versuchen permanent, ihre Probleme in den Schwierigkeiten der alltäglichen Krise und Verletzungen zu lösen. Sie befinden sich in einer idealen Position, um zu lernen, was Sie wissen müssen und was Sie tun können, um Ihre Chancen für eine dauerhafte Liebesbeziehung zu verbessern. Ich will damit keineswegs Ihre Zweifel und Ihre Ängste herunterspielen. Doch glaube ich, daß Sie Glück haben, in einer Kultur alleinstehend zu sein, die Ihnen vor einer Heirat die Möglichkeiten und die Gelegenheit bietet, sich selbst und Ihre Bedürfnisse kennenzulernen. Sie können lernen, allein zu leben, und mit Sexualität, Beziehungen und beruflichen Erfolgen experimentieren. Nicht nur das, denn wenn Sie es beim erstenmal nicht hinkriegen, wird Ihnen eine zweite Chance gegeben und sogar eine dritte und vierte, um es richtig hinzubekommen.

Dieses Buch ist nicht wie andere Bücher, die sich an Alleinstehende richten. Es geht nicht darum, wie Sie einen perfekten Partner angeln können, denn der perfekte Partner ist ein Mythos. Und es geht sicherlich nicht um die Freuden, allein zu sein. Ich respektiere zwar Menschen, die sich angesichts all der Schwierigkeiten für das Alleinbleiben entscheiden. Doch ich glaube, daß Sie nur in einer verbindlichen Beziehung wirklich wachsen und ganz werden können. In diesem Buch geht es um Beziehungen. Es geht darum, was Sie jetzt, solange Sie allein leben, als Vorbereitung auf eine dauernde Liebesbeziehung tun können. Im Jahre 1988 schrieb ich das Buch So viel Liebe wie Du brauchst, wo es um die Arbeit an den Problemen in Beziehungen geht. In diesem Buch soll es darum gehen, Probleme zu verhindern. So viel Herzschmerz könnte vermieden werden, wenn wir erst heiraten, nachdem wir gelernt haben, worum es in Paarbeziehungen wirklich geht. Vorher sollten wir die versteckten Minen entdeckt haben, die wir in unsere Beziehungen einbringen. Sie werden feststellen, daß das in diesem Buch umrissene Programm die Tür für Wachstum und Veränderung öffnet. Ihnen wird bewußt, welch ungeheures Potential für Heilung und Glück in der modernen Liebesheirat angelegt ist.

Allerdings habe ich keine schnellen Rezepte gegen Beziehungsverdrossenheit anzubieten. Ich bin zwar ein Idealist, aber ich mache mir keinerlei Illusion über das, was die Liebe am Leben erhält. Doch wenn Sie sich auf die Arbeit mit dem Buch einlassen, werden Sie Resultate sehen. Sie werden sich selbst besser kennenlernen. Sie werden begreifen, um was es in Beziehungen wirklich geht. Sie werden in die Lage versetzt, an sich selbst zu arbeiten, Veränderungsbedürftiges in Angriff zu nehmen. Sie werden fähig sein, die sich immer wiederholenden Muster vergangener Beziehungen zu durchbrechen. Sie werden sich zu einem anderen Typ von Partner hingezogen fühlen. Auch Sie werden in einer besseren Position sein. Ihr neuer Partner wird bereit und fähig sein, an einer tiefen und bleibenden Liebesbeziehung zu arbeiten. Die Schwere Ihrer Partnerschaftskonflikte wird nachlassen, denn Sie werden über die entsprechenden Werkzeuge verfügen, effektiver damit umzugehen.

Wie das Buch funktioniert

Dieses Buch präsentiert sich in fünf Teilen. In Teil I möchte ich zeigen, was ein alleinstehendes menschliches Wesen ist, was wir uns vom Leben erhoffen und inwiefern unsere Beziehungen der Weg sein können, unsere tiefsten Sehnsüchte zu erfüllen.

Teil II und III machen die Fehler der Erziehung bewußt. Sie zeigen, wie die Erfahrungen der Kindheit uns dahin brachten, wo wir uns heute befinden. In Teil II geht es darum, wie wir erzogen wurden, in Teil III um unsere Sozialisation. Die Art, wie wir sozialisiert wurden, wirkt sich auf unser Verständnis von Geschlechtsrollen und Sexualität aus. Damit hat sie einen ungeheuren Einfluß auf unsere Beziehungen. Diesem Thema habe ich ein ganzes Kapitel gewidmet. Wenn Sie die Übungen in diesen Teilen durchführen, wird Ihnen die Festlegung Ihres heutigen Kurses durch Ihre besonderen Kindheitserfahrungen bewußt werden. Sie werden sehen, daß Vergangenes nicht nur unmittelbar bestimmt, in wen Sie sich verlieben, sondern auch Ihr Verhalten in Beziehungen festlegt.

Die Dynamik in der Partnerschaft ist Thema von Teil IV. Sie arbeiten heraus, in was für einen Partner Sie sich nach der Vorbereitung durch Ihre Kindheit verlieben werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Ihnen die Beschreibung dessen, was ich die »unbewußte« Beziehung nenne, nur zu bekannt vorkommen: romantische Anfänge voll Geheimnis und Freude, die lange Belagerung von Desillusionierung und Wut, Kampf und Enttäuschung bis zu Unverständnis und Schmerz. In einem hoffnungsvolleren Ton werde ich Ihnen dann den Weg in die intentionale, wahrhaft innige Beziehung aufzeigen, in eine »bewußte« Beziehung. Paare verstehen und akzeptieren die Herausforderung, gefundene Liebe in dauerhafte Beziehung umzuwandeln.

Teil V ist der Dreh- und Angelpunkt. In diesem intensiven Trainingskurs üben Sie die Fähigkeiten und arbeiten an den für »bewußte Singles« notwendigen Verhaltensänderungen als Vorbereitung für eine bewußte Beziehung. Im letzten Kapitel werde ich Ihnen einen Vorgeschmack geben auf den Lohn für die harte Arbeit an einer bewußten Beziehung: wirkliche Liebe.

Liebe ist schwer - das Leben ist schwer - aber es gibt keine andere Möglichkeit, als sich darauf einzulassen. Es geht um einen hohen Einsatz. Ihr Spiel entscheidet, wie es Ihnen ergehen wird und ob Sie wachsen können. Es ist besser, so gut und so früh wie möglich spielen zu lernen. Ich glaube, daß Sie in diesem Buch genau das finden, was Sie dazu wissen müssen.

Teil I
Vom
Alleinleben und dem
Bedürfnis nach Bindung

 

Kapitel 1
Single - na und?

Nichts, was lebt, lebt allein oder für sich.
William Blake

Zum ersten Mal in der Geschichte unserer Kultur gilt das Alleinleben manchen Menschen als bevorzugter Lebensstil. Die Gründe dafür sind leicht einzusehen. Phantastisch angezogen, tänzeln sorglose Singles mit anbetungswürdigen Partnern durch die Cola-Werbung, sie amüsieren sich großartig, haben selbstverständlich interessante Berufe, und ihre Wohnungen sind mit dem neuesten elektronischen Schnickschnack ausgestattet. Wenn sie vom Abendessen in einem In-Restaurant nach Hause zurückkehren, werden sie sich (natürlich!) leidenschaftlich der Liebe hingeben - und müssen sich weder mit Kindern noch schmutziger Wäsche abplagen.

Ein attraktives Szenario ... und doch ist das Bild nicht vollständig. Von den Alleinstehenden, die bei meinen Workshops mitmachen, höre ich etwas ganz anderes. Viele von ihnen haben mehrmals Phasen durchlaufen, in denen sie allein lebten. Sie kamen zu mir, weil das Leben als Alleinstehende sie nicht glücklich machte - selbst wenn schicke Kleider und traumhafte Partner dazugehörten. Sie fragten sich, ob es im Leben nicht noch etwas anderes gäbe, einen Menschen, den sie wirklich lieben könnten, der sie ebenfalls liebt und mit dem sie bis ans Ende ihrer Tage glücklich zusammenleben können.

Was ist der Grund dafür? Warum wollen in unserer heutigen Gesellschaft, wo die Ehe oft als der erste Schritt zur Scheidung gesehen wird, immer noch die meisten Menschen heiraten, obwohl wir doch endlich die Möglichkeit haben, auch allein ein erfülltes Leben zu führen, mit Liebhabern zusammenzuziehen, mit zahlreichen Partnern Sex zu haben oder sogar uneheliche Kinder zu bekommen? Und warum trachten Geschiedene oder Verwitwete danach, wieder zu heiraten? Für mich gibt es eine sehr einfache Antwort: Unbewußt sehnen wir uns nach der Erfüllung in einer Partnerschaft. Nur mit einem anderen werden wir uns ganz fühlen. Warum ist der Wunsch nach einer festen Bindung in uns so übermächtig? Warum haben Sie eine solche Beziehung bisher nicht gefunden? (Warum sind Ihre Versuche fehlgeschlagen?) Was können Sie tun, um eine solche Beziehung einzugehen? Bevor ich in diesem Buch diese Fragen beantworten werde, müssen wir uns deutlich machen, womit Alleinstehende heute konfrontiert sind. Insbesondere, da ich überzeugt bin, daß der so weit verbreitete Mangel an Einsicht in die tiefere Bedeutung von Beziehungen der Kern der Verwirrung und der Schmerzen ist, die Alleinstehende so heftig empfinden.

Rites de passage

Für das Single-Dasein spricht vieles. Dieser dreißigjährige Werbetexter formulierte es sehr gut:

»Seit ich von der Uni in die Großstadt kam, habe ich mich blendend amüsiert. Ich habe angefangen in einer einfachen Mietwohnung in Greenwich Village, die ich mit einem alten Studienfreund teilte. Wir sind mit unseren Anfangsgehältern mal gerade so über die Runden gekommen. Wir lernten, unsere Hemden zu bügeln, und wir kochten auf einem Kocher mit zwei Platten. Abends suchten wir uns Veranstaltungen heraus, bei denen man umsonst hereinkam, oder gingen zu Lesungen und futterten uns durch mit den Gratishäppchen, die während der ›Happy hour‹ als Beilage zu den Getränken serviert werden. Ich traf alle möglichen Leute, von denen viele nach den Maßstäben meiner provinziellen Universitätsstadt ziemlich schräge waren. Jetzt habe ich meine eigene Wohnung in einem Hochhaus an der Upper East Side mit einer modernen Küche - sogar mit Mikrowelle. Ich war mit vielen unterschiedlichen Frauen zusammen, normalerweise nichts Ernstes.  Mit einer aber habe ich fast zwei Jahre zusammengelebt (und sie brach mir das Herz). Ich war zweimal in Europa und im vorigen Jahr auf einer Campingtour in Kanada. Ich mache seit zwei Jahren Tai Chi und seit einem Jahr eine Therapie. Ich habe schreckliche Angst vor dem Heiraten - ich glaube, ich habe wohl nicht allzu viele glückliche Ehen gesehen. Doch allmählich verliere ich das Interesse daran, nur jemanden zu haben, mit dem ich Samstag abends ausgehen oder ein weiteres sexuelles Abenteuer haben kann - ich hätte nie gedacht, daß mir je so etwas über die Lippen kommen könnte. Ich bin kurz davor, mit meiner Freundin zusammenzuziehen, ich habe das Gefühl, es ist vielleicht an der Zeit, mich niederzulassen.«

Dieser junge Mann führte ein ideales Single-Leben. Seine Zeit als Alleinstehender war eine Phase, nicht Selbstzweck. Einerseits war es eine recht unbeschwerte Zeit der Unabhängigkeit, andererseits aber mußte er für sein alltägliches Leben sorgen und war für sein eigenes Wohlergehen verantwortlich. Er verfügte über Zeit und Geld, und er traf seine eigenen Entscheidungen hinsichtlich seiner Karriere, seiner Freunde und Reisen. Er experimentierte mit verschiedenen Lebensstilen, mit Sex und Beziehungen und fand neue Interessensgebiete und Hobbys. Er stieß sich die Hörner ab und hatte Beziehungen zu verschiedenen Frauen. Wenigstens eine davon beinhaltete eine relativ ernsthafte Lebensgestaltung. Es gab gute und schlechte Zeiten. Er formte eine Identität, wurde unabhängig von den Mustern seines Kollektivs/seiner Familie. Dadurch entwickelte er ein starkes Gefühl dafür, wer er ist, was er will und wie er es bekommen kann. Seine Jahre als Single haben ihm Kenntnisse, Erfahrungen und eine größere Sensibilität für die Welt beschert. Er ist bereit, ohne
Bedauern den nächsten Schritt zu tun.

Leider ist die Geschichte dieses Mannes nicht typisch. Viele Alleinstehende verpatzen diese wertvolle Gelegenheit, Unabhängigkeit und Selbsterkenntnis zu erwerben. Das ist nicht verwunderlich, denn trotz der Freiheiten, Möglichkeiten und Mittel, die Alleinstehenden heute zur Verfügung stehen, wissen viele von ihnen nicht, wie sie aus den Jahren des Alleinlebens das Beste machen können. Woher sollten sie es auch wissen? Bis vor kurzem gab es »Singles« gar nicht. Alleinleben war lediglich eine Brücke zwischen dem Kinder- und dem Ehebett, die es möglichst schnell und ereignislos zu überqueren galt. Es ist kein Wunder, daß junge Männer und Frauen, denen es freisteht, neue, unbekannte Lebensformen auszuprobieren und sich selbst zu finden, sich nach traditionellen Mustern richten oder sich in ihrer Verwirrung mit unklaren neuen Geschlechtsrollen und Beziehungsdynamiken herumschlagen.

Im typischen Fall konzentriert sich eine Frau in ihren Jahren als Alleinstehende völlig auf die Jagd nach einem Mann, keinem beliebigen, sondern einem, der einer erschöpfenden Liste von genau festgelegten Qualitäten gerecht wird. Wie sich voraussagen läßt, ist sie enttäuscht, diesem Musterexemplar nicht begegnet zu sein, oder, ist sie ihm begegnet, daß er nicht an einer Bindung zu ihr interessiert ist. Junge Männer dagegen verbringen die gleichen Jahre ausschließlich damit, sich ausgiebigst zu amüsieren, Strichlisten über ihre sexuellen Eroberungen zu führen und dabei so schnell wie möglich durch die entsprechenden Karriereränge zu rauschen. Sie beklagen sich, daß alle ihre Freundinnen nur von ihnen geheiratet werden wollen. Solange sie nur können, entziehen sie sich, bis der Druck, sich erwachsenen Ansprüchen zu beugen, zu groß wird. Man könnte glauben, Männer und Frauen kämen von verschiedenen Sternen, so entgegengesetzt sind ihre Absichten.

Wer gegen den gesellschaftlichen Strom schwimmt, hat seine eigenen Probleme. Junge Frauen, die fest entschlossen im Beruf vorwärtskommen wollen, fühlen sich bedroht. Sie verschieben die Ehe vorerst. Doch sie wissen sehr wohl, daß ihre statistischen Chancen somit steil abfallen. Frauen müssen immer noch mit dem Stigma der »alten Jungfer« fertig werden. »Ist denn niemandem aufgefallen«, beklagt sich Mary Ann Meyer in einem Essay in der New York Times, »wie paradox es ist, daß eine Frau in dieser Gesellschaft, ganz egal wie erfolgreich sie ist, es erst dann wirklich geschafft hat, wenn sie ›ja‹ sagt?« 1 Weniger karrierebewußte junge Männer versuchen, im Hinblick auf die Geschlechtsrollen unkonventionelle Wege zu gehen. Sie haben ebenfalls das Gefühl, mit ihren Chancen und ihrer Attraktivität einen hohen Preis zu zahlen.

Allem Anschein zum Trotz sind es schwere Zeiten für Singles. Die Überfülle von Angeboten für Alleinstehende in Zeitungen und Zeitschriften spricht eine deutliche Sprache. Da sind zunächst all die Produkte und Dienstleistungsangebote, die darauf zielen, Alleinstehende zusammenzubringen: Ferien mit dem Club Mediterranee, Gourmet Clubs für Singles, Wohnungen für Alleinstehende, Bücher mit Titeln wie »Wie finde ich einen Mann« oder »Wie mache ich Frauen an« oder »Die Wahrheit über das andere Geschlecht« oder »Was Männer (Frauen) wollen«, die Kontaktanzeigen, in denen Alleinstehende die Vorzüge aufzählen, die sie sich bei einem Partner wünschen - und mit denen sie sich selbst anpreisen. Dann gibt es Angebote für die Alleinstehenden, für die all das nicht zu funktionieren scheint: Therapeuten, die sich auf Depressionen und Einsamkeitsgefühle bei Alleinstehenden spezialisiert haben, Unterstützungsgruppen für »vorübergehend Alleinstehende«, Eheanbahnungsinstitute, die versprechen, zu liefern, wo andere versagt haben, Bücher über Frauen, die zu sehr lieben, und über Männer, die Frauen hassen. Alleinstehende fühlen sich wie zwischen Skylla und Charibdis. Einerseits sind sie nicht bereit, zu der traditionellen Form von Beziehung zurückzukehren, andererseits aber nicht darauf vorbereitet, zu neuen Ufern vorzudringen. Sie stehen unter dem Druck, seßhaft zu werden, jedoch das Leben aus vollen Zügen zu genießen. Was stimmt andiesem Bild bloß nicht?

Single - eine neue Definition

In seinem Buch »Kindheit und Gesellschaft« 2 beschreibt der berühmte Psychoanalytiker Erik Erikson die Moratoriumsphase, die in den meisten primitiven Gesellschaften beobachtet wurde. In dieser Zeit wird dem Individuum gestattet und sogar von ihm erwartet, sich ohne Verantwortung auszuleben, bevor es mit einem Partner seßhaft wird, Kinder bekommt und zu einem nützlichen Mitglied der Gemeinschaft wird.

In unserer Kultur machen die Glücklichen, die in den Genuß einer Universitätsausbildung kommen, zwangsläufig ein solches Moratorium durch. Aber viele Studenten heiraten bald nach dem Examen, noch bevor sie die Chance hatten, ihre Flügel auszuprobieren. Zwar gehen immer mehr Schulabgänger an die Universität, weshalb das Durchschnittsalter für erste Eheschließungen in den vergangenen Jahren angestiegen ist, aber viele junge Leute heiraten immer noch direkt nach dem Schulabschluß. Und wer die Gelegenheit hatte, eine Weile solo zu leben, hat meist keine klare Vorstellung vom Weg oder Ziel seines Alleinflugs.

Ein Moratorium

Wir müssen den Begriff »Single« neu definieren, die Regeln auf den neuesten Stand bringen und Alleinstehenden aufzeigen, worin der Zweck und die Vorzüge dieser entscheidenden Übergangsperiode liegen. Ich denke, der beste Weg dazu ist, eine modernisierte Version von Eriksons »Moratoriumsphase« zu institutionalisieren. In unserer Gesellschaft wird jungen Menschen ein Modell vorgehalten, das ihnen früh Entscheidungen und Verpflichtungen für ihren Lebensweg abverlangt, und am Ende kommen ausgebrannte Führungskräfte dabei heraus und Hausfrauen, die sich nach dreißig Jahren überflüssig fühlen.

Nicht alle früh geschlossenen Ehen enden in der Katastrophe, ganz und gar nicht. Wer in einem gesunden Familienklima aufwuchs, in der Zeit der Ausbildung oder den ersten Berufsjahren ein gesundes Selbstgefühl entwickelt und sich einen guten Partner ausgesucht hat, bringt trotz seiner oder ihrer Jugend die besten Voraussetzungen für eine gute Ehe mit. Aber das sind Glücksfälle. Die meisten Leute sollten mit dem Heiraten warten, bis sie gut über zwanzig sind. In der Zeit zwischen Kindheit/Schule und Ehe würde dann von Alleinstehenden geradezu erwartet, daß sie sich an der Welt messen und ausprobieren, was sie zu bieten hat. Es gäbe keinen Druck, zu heiraten, oder vielmehr es gäbe den Druck, nicht zu heiraten, keine Karrierefixierung, sondern die Neugier an allen Lebensbereichen. Alleinleben wäre das entscheidende Stadium auf dem Weg zur Reife. Wir lernen, wer wir sind, entwickeln Verantwortlichkeit und Selbstgenügsamkeit und erkennen unsere wahren Gefühle. Wir können uns mit unseren inneren Stärken und Dämonen auseinandersetzen, all die Dinge verändern, die unsere Lebenslust dämpfen und unsere Entwicklung behindern. So können wir lernen, mit Beziehungen umzugehen und auf allen Ebenen zu kommunizieren. Es wäre ein äußerst notwendiges Beziehungstraining.

Wäre es die Norm für Alleinstehende, bis zum Abschluß der Übung mit dem Heiraten zu warten, würden viele der Probleme, die Beziehungen sabotieren, wegfallen. Bestimmte tiefe Probleme tauchen natürlich nur im alltäglichen Zusammenleben in einer festen Beziehung auf und können auch nur dort gelöst werden. Grundsätzliche Probleme mit sich selbst wären bereits bearbeitet, so daß sie eine Ehe nicht noch zusätzlich belasten. Die Partner würden sich selbst besser kennen, sie könnten gelassener mit Nähe umgehen und bereit sein, die Verantwortung in einer Ehe zu übernehmen. Wenn sie besser Bescheid wüßten, was sie wirklich vom Leben wollen, würden sie später nicht so viele Überraschungen erleben. Solche Singles wären besser in der Lage, mit den gewaltigen psychischen Auseinandersetzungen fertig zu werden, die eine Ehe mit sich bringt, und  wären sich ihres ungeheuren spirituellen Potentials sehr viel bewußter. Außerdem - wozu die Eile? Mit achtundzwanzig oder zweiunddreißig ist immer noch reichlich Zeit, eine Menge Kinder zu bekommen und - aus freien Stücken - eine Karriere voranzutreiben.

Zum Alleinleben ist es nie zu spät

Angesichts der begrenzten Lebenserwartung der heutigen Ehen ist Alleinleben nicht nur auf junge Menschen beschränkt. Mit über dreißig, vierzig oder sechzig kann es besonders schwierig sein, vor allem wenn man bei der Heirat jung und unerfahren war und glaubt, es sei gelungen, die notwendigen Auseinandersetzungen mit Einsamkeit und Abhängigkeit zu umgehen. Nur allzuoft kommen zum Alleinsein in der Lebensmitte noch Ängste vor dem Alter hinzu, der Druck, sich zum ersten Mal auf den Arbeitsmarkt zu begeben, die Schwierigkeiten, Kinder allein aufzuziehen, und finanzielle Belastungen.

Aber ein Moratorium in der Partnersuche kann eine unschätzbare Gelegenheit sein, sich selbst zu erforschen - in jedem Alter. Selbst für die, die zwangsläufig und ungewollt allein leben, kann es sich schließlich als Segen erweisen. Es ist eine Zeit, in der man heilen, die eigenen Prioritäten neu setzen und ein neues Selbstgefühl entwickeln kann. Geschiedene Leute erzählen nicht nur einmal, daß sie entsetzliche Angst vor dem Alleinsein hatten, selbst wenn ihre Ehen lieblos und quälend waren. Sie fürchteten sich davor, sich nach anderen Partnern umzusehen und wieder einen Beruf ergreifen zu müssen. Zu ihrer Erleichterung aber erkannten sie ihr neues Leben als einen wunderbaren Balsam, eine Zeit des Heilens und der Beschäftigung mit sich selbst.

Eine Frau im mittleren Alter verließ ihren Ehemann. Übelste Vorahnungen über ihr Alleinsein und den veränderten Lebensstil ergriffen sie. Überrascht äußerte sie später:

»Ich ertappte mich dabei, daß ich singend im Haus herumging. Ich genoß die ein fachsten Dinge, zum Beispiel allein zu essen (und zwar genau das, worauf ich Lust hatte und dann, wann ich wollte, ganz egal, wie unorthodox es war). Ich badete, blätterte Zeitschriften durch, arbeitete die halbe Nacht hindurch. Lange Zeit hatte ich weder den Wunsch noch das Bedürfnis, mich nach einem Partner umzusehen. Es war, als müßte ich mich wieder neu zusammensetzen, um herauszufinden, wer ich bin und was ich wirklich gern habe, auf jedem Gebiet. In mancher Hinsicht war das extrem schmerzhaft, aber mein wachsendes Gefühl für mich selbst und meine Fähigkeit, allein zu sein, waren eine Offenbarung für mich. Es sah so einfach aus, allein zu leben. Natürlich fing ich irgendwann an, jede Bindung zu fürchten, die mein Gleichgewicht durcheinander bringen könnte. Und jetzt habe ich Angst, in meinem Alter keinen Partner mehr zu finden. Aber das ist eine andere Geschichte.«


Brian, ein erfolgsorientierter, eigensinniger Mann, ließ sich mit über fünfzig Jahren scheiden. Er erzählte mir, er habe zunächst ein ausschweifendes Leben geführt, sei mit Frauen ausgegangen und habe alles getan, um seine leere Wohnung zu meiden. Danach habe er jedoch herausgefunden, daß er in Wirklichkeit eigentlich gern Brot backte, abends lange aufblieb, um Klavier zu spielen (das er nicht mehr angerührt hatte, seit er zwanzig war), spät ins Büro ging und Campingtouren in abgelegene Angelreviere unternahm. All das wich radikal von dem ab, was seiner Ansicht nach das Leben ausmachte. »Warum brauchte ich so lange, um das herauszufinden?« fragte er. »Könnte ich das nicht alles haben und meine Ehe noch dazu?« Viele geschiedene oder verwitwete Menschen kehren zu den Verhaltensmustern zurück, die sie vor ihrer ersten Heirat hatten: allein leben, ihren eigenen Rhythmus finden, eine Menge unterschiedlicher Menschen kennenlernen, in die Therapie gehen, neue Freunde finden, neue Interessen entwickeln, lernen, mit sich selbst zu leben und für sich zu sorgen.


Single fürs Leben

Für immer mehr Menschen ist das Alleinleben eine Entscheidung für das ganze Leben. Für manche ist es ein notwendiges Opfer zugunsten kreativer Ziele oder einer Karriere. Für andere stellt es eine Rebellion gegen die mit den Geschlechtsrollen verbundenen Erwartungen oder Pflichten dar. Wieder für andere ist es eine Entscheidung, um den Schmerz oder die Nähe zu vermeiden, die sie in früheren Beziehungen erlebt haben. (Einer eigenen Kategorie gehören diejenigen an, für die es Bestandteil ihres religiösen Gelübdes ist, die sich einem Leben des Dienens geweiht haben. In diesem Fall wird das Alleinsein kulturell hoch bewertet. Aber selbst römisch-katholische Nonnen, die sich für das Zölibat entschieden haben, geben Jesus ein »Hochzeitsgelübde«.)

Ich habe einen Freund, der sich entschieden hat, allein zu leben. Er ist Komponist und hat sich ganz seiner Arbeit geweiht. Er lebt fast wie ein Eremit, arbeitet unregelmäßig und führt ein einfaches Leben, zufrieden mit den 15000 oder 20000 Dollar, die sein Werk einbringt. Er fürchtet, in einer Ehe müßte er nicht nur mehr Geld verdienen, sondern auch seine Gewohnheiten und seinen gesamten Lebensstil auf Kosten seiner wahren Liebe, der Musik, ändern. »Ich lebe in einer Bruchbude mit undichtem Dach. Ich habe keinen Fernseher, keine Krankenversicherung und bin seit drei Jahren hier nicht herausgekommen. Klingt das so, als wäre ich ein begehrenswerter Junggeselle?«

Ingrid, eine begeisterte Chemikerin, die in der Forschung arbeitet, sagt, sie sei zufrieden mit ihrem Leben. Sie ist allerdings wütend, weil sie das Gefühl hat, eine Entscheidung treffen zu müssen.

»Männer in meiner Position haben Ehefrauen, die für sie sorgen, die täglichen Hausarbeiten erledigen, den Alltag organisieren und die Zerstreuungen und die sie unterstützen. Es ist nicht nur sehr schwer für eine Frau wie mich, einen Mann zu finden, der verstehen oder tolerieren würde, wie sehr ich von meiner Arbeit absorbiert werde, in den meisten Fällen würde auch von mir erwartet, meine Arbeit aufzugeben, dem Vorzug zuliebe, verheiratet zu sein. Heutzutage ist es wenigstens möglich, daß ich einen Liebhaber habe, ohne deshalb allzusehr unter Beschuß zu stehen - obwohl es für manche Leute ein Problem ist, daß mein gegenwärtiger Liebhaber soviel jünger ist als ich - wieder etwas, das kein Mensch zur Kenntnis nähme, wenn ich ein Mann wäre.«

In eine etwas andere Kategorie gehören jene, die durch bestimmte Umstände gezwungen sind, allein zu leben. Vielen von ihnen ist es gelungen, das Beste daraus zu machen. In gewisser Weise aber haben sie ihren Traum von einer Beziehung aufgegeben, oft weil sie in der Vergangenheit sehr verletzt wurden. Wie spöttelte Edna Ferber doch so schön? »Eine alte Jungfer sein ist wie ertränkt werden, es ist kein ganz und gar unangenehmes Gefühl, wenn man erst einmal aufgehört hat, zu kämpfen.«

Für manche ist die Entscheidung für das Alleinbleiben nur eine Rationalisierung ihrer Unfähigkeit, mit den Forderungen einer Beziehung umzugehen. »Ich brauche meinen Freiraum«, »Ich habe einfach nie den Richtigen/die Richtige gefunden«, »Meine Arbeit nimmt all meine Energien in Anspruch.« Oft haben sie wiederholt die gleichen Probleme und Verletzungen erlebt. Ihre schwierige Kindheit hat bei ihnen Narben hinterlassen, die in jeder Beziehung Verheerung anrichten. Die Wunden brechen immer wieder auf, anstatt geheilt zu werden. Wieder und wieder müssen sie feststellen, daß sie an der gleichen Stelle festsitzen. Und so beschließen sie, vielleicht zu Recht, daß sie allein besser zurechtkommen. Sie entscheiden sich, aus ihrer Situation das Beste zu machen, in einem gesellschaftlichen Klima, in dem es wenigstens toleriert wird, allein zu leben.

Ihre Zukunft wird rosiger sein. Aber für diejenigen, die das Alleinleben als Durchgangsstadium zur Ehe begreifen, werden die kommenden Jahre produktiver werden. Ich hoffe, daß das Alleinleben immer mehr akzeptiert werden wird. Aber, wie Sie zweifellos bereits bemerkt haben, sehe ich das Alleinleben in jedem Lebensabschnitt als eine Gelegenheit, sich und den eigenen Platz in der Welt zu finden. Angesichts eigener Erlebnisse, meiner Einstellung zur menschlichen Natur und Erfahrung mit Alleinstehenden glaube ich, daß etwas am Alleinleben nicht stimmt. Vermutlich lesen Sie dieses Buch, weil Sie es ebenfalls nicht für so überaus erstrebenswert halten, auch wenn Sie Ihr Leben allein gegenwärtig vielleicht genießen. Vermutlich haben Sie den Wunsch nach einer dauerhaften Beziehung, und vermutlich ist eine solche bisher noch nicht zustande gekommen.

Das Bedürfnis nach Verbundenheit

Alleinstehende erzählen mir oft, sie hätten das Gefühl, mit ihnen stimme etwas nicht, weil sie ein so starkes Bedürfnis nach einer Beziehung haben. Manchmal hofften sie nur, daß praktisch irgend  jemand des Weges komme, sich in sie verliebe, sie heirate und alles sich zum Besten wendete. Das mag uns unerwachsen und verzweifelt vorkommen. Doch nur allzuoft werden so Ehen geschlossen, die unter dem Vorzeichen stehen »Es ist meine einzige Chance«. Die Folgen sind meist katastrophal. Ohne das Gebot ihres Alleinlebens zu ehren, stellen sie in gewisser Weise ihre Jahre als Single nur bis nach einer Scheidung zurück. Sie müssen schon viel Glück haben und sehr hart an ihrer Beziehung arbeiten, um das zu verhindern. Viele verharren in einer aussichtslosen Ehe.

Ich möchte allerdings nicht zu hart urteilen, denn in den meisten Fällen ist die Sache komplexer. Es geht dann nicht einfach nur um den verzweifelten Wunsch zu heiraten oder das Bedürfnis, einem leeren Leben Sinn zu geben. Diese Bedürftigkeit ist ein Symptom für ein tiefes Verlangen im Unbewußten. Es ist Ausdruck des menschlichen Bedürfnisses nach Ganzheit und Verbundenheit, genauer gesagt, nach einer sicheren, innigen, lebendig machenden Partnerschaft. Ich will damit sagen, daß wir Beziehungen brauchen. Das klingt ganz schön dramatisch, aber ich bin überzeugt davon, daß es zutiefst wahr ist. Es geht nicht einfach um verzweifelte Singles. Unsere menschliche Natur und unsere menschlichen Bedürfnisse lassen sich nicht verleugnen, egal wie sehr wir rationalisieren oder uns anpassen.

Denken Sie nur daran, wie wir mit dem Wort »allein« umgehen. Wir definieren Alleinstehende als abhängig von ihren Beziehungen: geschieden, verwitwet, getrennt lebend, verlobt, Junggeselle oder alte Jungfer - auch als nicht verheiratet. Oberflächlich sieht es so aus, als spiegele sich darin die Einstellung unserer Gesellschaft zur Ehe. Tatsächlich aber zeigt sich darin, daß wir unsere im Grunde beziehungsorientierte Natur unbewußt annehmen. Denken Sie nur daran, wie lebendig und in Übereinstimmung mit der Welt wir uns fühlen, wenn wir verliebt sind und uns miteinander verbunden fühlen. Fehlt eine solche Verbindung, geraten wir aus dem Gleichgewicht.

Die Gesundheitsstatistiken sprechen eine deutliche Sprache über unser angeborenes Bedürfnis nach Beziehung. Menschen, die über lange Zeitabschnitte allein leben, neigen zu Depressionen. Ihr Immunsystem ist geschwächt. Sie sind anfälliger für Krankheiten und haben eine geringere Lebenserwartung. Außerdem arbeiten sie weniger effizient und können Krisen oder Enttäuschungen schlechter durchstehen. Es ist praktisch ein Gemeinplatz, daß eine verwitwete Person innerhalb etwa eines Jahres nach dem Tod des Gatten verfällt, krank wird oder sogar stirbt, ob die Ehe glücklich war oder nicht. Und zahlreiche Studien haben nachgewiesen, welch schädigende Auswirkungen Vernachlässigung oder mangelnde Zuwendung bei Kleinkindern haben.

Kurz gesagt, wir brauchen Beziehungen, insbesondere bindende, langfristige Liebesbeziehungen, die uns Heilung und Wachstum gestatten. Meiner Ansicht nach beschneidet fortgesetztes Alleinleben das Wachstum, denn es leugnet die fundamentalen Bedürfnisse des Unbewußten. Ich glaube, daß Alleinleben als Stadium gedacht ist, nicht als ständige Lebensform. Es gibt bestimmte Dinge im spirituellen und psychologischen Bereich, die wir nur in einer bindenden Zweierbeziehung erreichen können. Ich möchte Alleinstehende keineswegs kritisieren. Sie werden von einer Kultur, die den Zweck des Alleinlebens heutzutage weder versteht noch unterstützt, in der Luft hängengelassen. Alleinstehende müssen mit schwierigen Problemen fertig werden, ohne über die Mittel dafür zu verfügen. Ich wünsche mir, daß Alleinleben in dem Kontext, in den es gehört, akzeptiert und außerdem verstanden und ermutig wird. Gleichzeitig möchte ich mit der Vorstellung aufräumen, die Entscheidung, allein zu leben, sei einer Ehe gleichwertig. Das Alleinleben ist einer Ehe nicht gleichwertig. Mit dem Entschluß, allein zu leben, nehmen wir eine Beschneidung unserer Entwicklung hin und ignorieren die Direktiven des Unbewußten zu unserem eigenen Schaden. Wir sind für Paarbeziehungen geschaffen.

Das Problem mit dem Alleinleben

Ich empfinde also große Sympathie für alle, die den glühenden Wunsch haben, eine Liebesbeziehung zu finden und zu bewahren. Aber mit Alleinlebenden zu tun zu haben, kann auch frustrierend sein. Ich stelle oft fest, wie jämmerlich wenig sie sich ihrer Erwartungen bewußt sind und ihres Verhaltens in Beziehungen. Sie sind nach den alten Regeln aufgewachsen und spielen nach den neuen. Sie wollen mit anderen eine enge Beziehung eingehen, bevor sie verstehen, was Nähe bedeutet, und bevor sie sich überhaupt selbst nahegekommen sind.

Als Prediger habe ich jahrelang in kirchlichen Gruppen mit Alleinstehenden gearbeitet. Ich habe nie aufgehört, mich darüber zu wundern, daß im Verlauf einer jeden beliebigen Sitzung mehrere der Teilnehmer sich endlos darüber ausließen, es gäbe für sie einfach niemanden, oder sie würden nie den richtigen Partner finden - obwohl sie von ein- oder zweihundert attraktiven potentiellen Kandidaten umgeben waren. Niemand schien ihren Vorstellungen gerecht zu werden. Inmitten der vielen offensichtlich zu habenden Heiratswilligen konnten sie niemanden ausmachen, an dem sie Interesse gehabt hätten.

Außerdem wurden mir regelmäßig Fragen gestellt, die so begannen: »Was ist, wenn die Person, der ich begegne, nicht ...«, worauf eine Reihe kaum verhüllter Klagen folgte: »... offen ist«, »... wieder anruft«, »... mit mir schlafen will«, »... aufrichtig ist«, »... mich heiratet«, »... das Abendessen bezahlt«. Es verblüffte mich, daß diesen Menschen die dringendsten Grundlagen der Kommunikation und des Beziehungsverhaltens fehlten. Warum stellten sie sonst solche Fragen? Und würde es ihnen helfen, wenn ich ihnen die Antworten geben würde, wie: »Fred wird Sie nicht heiraten, weil er gern allein lebt.« - »Mona will nicht mit Ihnen schlafen, weil sie glaubt, das sei alles, was Sie von ihr wollen.« - »Irwin spürt, wie bedürftig Sie sind, und er fühlt sich davon bedroht, deshalb ruft er nicht wieder an.« »Alan bezahlt nicht fürs Abendessen, weil er nicht gern für einen Spender von Gratis-Abendessen gehalten werden möchte und Sie ihm versichern müssen, daß Sie ihn wirklich gern haben.«


Lange Zeit fragte ich mich verwirrt, warum all diese attraktiven Menschen so unerklärlich wenig Erfolg in ihrem Liebesleben hatten, bis ich eines Tages mit dem Pfarrer sprach, der in einer großen Nachbargemeinde eine Gruppe für Alleinstehende leitete. Er gab zu, die gleichen Probleme zu haben. »Wissen Sie«, sagte er zu mir, »ich habe daraus den Schluß gezogen, daß viele Alleinstehende einfach nicht erwachsen geworden sind. Sie haben keinen rechten Bezug zur Realität, kennen sich selbst nicht. Sie haben nicht die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen. Ihre Vorstellungen von Liebe gehören in eine Phantasiewelt. Sie rennen einer Ehe entweder hinterher oder davon, und dabei tappen sie im Dunkeln, um was es dabei eigentlich geht. Sie haben die Privilegien und den Besitz von Erwachsenen, aber sie sind noch nicht erwachsen geworden. Deshalb sind sie chronisch allein.«

Zuerst wehrte ich mich gegen das, was er damit sagen wollte, aber der Begriff »chronisch allein« setzte sich in meinem Kopf fest. Es ist zwar schwer, allgemeingültige Aussagen über Alleinstehende zu machen, aber heutzutage gibt es tatsächlich eine riesige Gruppe von Menschen, die sich sicherlich als »chronisch allein« klassifizieren ließen: der Junggeselle, der nie ein Heim gründet, die Frau, deren Liebhaber nie zurückrufen oder die nie den richtigen Märchenprinzen findet, der Alleinstehende, bei dem offenbar immer wieder berufliche Ziele erfordern, eine Ehe auf später zu verschieben. Selbst diejenigen, die eine Reihe gescheiterter Ehen hinter sich haben, sind in gewisser Weise chronisch allein, wobei sie im Verlauf ihres grundsätzlichen Alleinseins zwischendurch kurze Ausflüge in Beziehungen unternehmen.

Bei Workshops für Alleinstehende stellte ich fest, daß Alleinstehende erwarten, irgendeine magische Antwort auf ihre verwünschte Partnerlosigkeit serviert zu bekommen. Als könnte ich ihnen sagen, was sie zu tun, wohin sie zu gehen und was sie zu sagen hätten, um einen Partner zu finden - und zwar schnell. Oder sie hofften, der oder die Richtige würde sich neben sie setzen. Sie würden wahre Liebe doch nicht erkennen, auch wenn sie sich ihnen auf den Schoß setzte. Es könnte noch jemand Besseres geben. Vom nächsten Schritt in das Stadium von Nähe und Bindung hätten sie keine Ahnung. Eine junge Frau sagte wahrhaftig zu mir: »Ich liebe Joel, aber er ist nur ein Trainee in einer Bank, und er hat kein Interesse daran, ins Theater oder Museum zu gehen. Was passiert, wenn ich Joel sage, ich werde ihn heiraten, und dann einen Besseren finde?«

So viele Alleinstehende konzentrieren all ihre Bemühungen auf eine Perfektionierung des äußeren Drum und Dran und die Strategien des Single-Daseins, um bei der Musterung der Partnerwahl zu bestehen. Dabei vernachlässigen sie die Erforschung ihres Inneren. Sie wollen den perfekten Partner finden, heiraten und machen sich dann Sorgen darüber, ob sie auch glücklich verheiratet sind. Sie weisen mögliche Partner ab. An denen finden sie dies oder das auszusetzen und erkennen nicht, daß der Fehler bei ihnen selbst liegt. Die Ironie ist, daß fast 50 Prozent der Heiratenden ihr Gepäck aus der Kindheit noch nicht ausgepackt und untersucht haben. Daher sind sie dazu verdammt, sich wieder in die Reihen der Alleinlebenden einzugliedern, und zwar auf die harte Tour der Scheidung. Sie verstehen nicht, daß sich nichts verändern wird, solange sie sich nicht ändern. Sie werden keinen gesünderen, reiferen Partner finden, solange sie selbst nicht gesünder und reifer sind. Sie müssen zuerst ihre Hausaufgaben machen.

Die Liebe fürs Leben

In diesem Buch geht es nicht darum, einen Partner zu finden. Doch mir sind die Probleme der Alleinstehenden wohl bewußt. Schüchternheit, Angst, Ambivalenz und vergangene Beziehungskatastrophen können sehr starke Hürden bei der Partnersuche sein. Glauben Sie mir, ich habe von entmutigenden Alleinstehenden viele Schreckensgeschichten von Zurückweisung, peinlichen, sogar gefährlichen Situationen gehört. Den Impuls, zu Hause zu bleiben, ein Buch zu lesen und zu hoffen, daß man auf dem Weg zur Arbeit über den zukünftigen Geliebten stolpert, kann ich nur zu gut verstehen. Aber es ist unausweichlich, daß Sie sich als Beziehungssuchender in eine Situation begeben müssen, in der sie anderen Menschen begegnen. Das bedeutet, daß Sie sich exponieren müssen. Ich meine damit nicht, daß Sie Ihre Vorzüge am hellichten Tag öffentlich zu Markte tragen sollen. Sie sollten sich aber so viele Möglichkeiten wie möglich geben, den Pool potentieller Partner zu vergrößern. Niemandem wird die Post einen Traumprinzen oder eine Traumfrau abliefern. Sie müssen jeden Weg prüfen - Gruppen für Alleinstehende, kirchliche Gruppen und Gruppen für Singles mit besonderen Interessen, Kurse und Aktivitäten, die auf Alleinstehende zugeschnitten sind. Schließen Sie auch die Anzeigenvermittlungen oder Kontaktanzeigen in seriösen Zeitungen oder Zeitschriften nicht aus, bei denen Sie den Eindruck haben, sie würden von der Art von Person gelesen, die Sie suchen.

Abgesehen davon sollten Sie Ihre Urteilskriterien überprüfen. Je enger und detaillierter Ihre Liste von erwünschten Qualitäten ist, je fester Ihre Vorstellung von einem annehmbaren Partner, desto beschränkter ist Ihre Auswahl. Ohne es zu wollen, lehnen Sie Tausende von möglichen Partnern ab. Sie geben ihnen keine Chance, Ihr Herz zu erobern. Beschäftigen Sie sich auch mit Menschen, die anders aussehen, handeln und denken als die, an die Sie gewöhnt sind. Auch wenn Sie nicht glauben, Ihren Partner auf diesem Weg zu finden, Sie selbst erweitern damit Ihre Möglichkeiten. Das erweitert zudem die Zahl in Frage kommender Kandidaten.

Ich möchte hier auch kurz auf die Selbstsabotage eingehen, die ich bei vielen Alleinstehenden beobachtet habe. Diese Selbstsabotage manifestiert sich zum Teil darin, daß die Betroffenen nicht ausgehen, um andere Menschen kennenzulernen, oder die Kriterien für die Auswahl eines möglichen Partners eng einschränken. Mit ihrem Verhalten schrecken sie mögliche Partner mit Sicherheit ab. Ein Freund von mir meinte, daß viele Frauen, mit denen er während seiner Jahre als Alleinstehender ausgegangen war, »sich selbst in den Fuß schießen« würden. Als ich ihn bat, das näher zu erläutern, listete er mehrere Verhaltensweisen auf: Sie sprachen abfällig über frühere Freunde oder Beziehungen, setzten ihr Aussehen oder ihre Intelligenz herab, brachten ganz allgemein sofort negative Einstellungen zum Ausdruck, insbesondere gegenüber dem anderen Geschlecht, fanden bereits in den ersten paar Minuten etwas an ihm auszusetzen, kamen schon bei der ersten Verabredung zu spät und brachten faule Ausreden vor, schoben das Versagen früherer Beziehungen vollständig auf ihre Partner, ließen allzu deutlich erkennen, daß sie sexuell und auch sonst zu haben waren, und reagierten dann peinlich berührt oder gingen fort, wenn er auf ihre Signale reagierte. »Nun frage ich mich, ob ich so etwas auch machte«, meinte er.

Achten Sie auf Verhaltensweisen, mit denen Sie sich selbst ein Bein stellen. Kurzgefaßt lautet das Rezept: Seien Sie positiv. Seien Sie aufrichtig. Seien Sie ansprechbar und offen für andere Menschen. Seien Sie Sie selbst, mit so viel Selbstvertrauen, wie Sie nur aufbringen können.

Mehr habe ich zu diesem Thema eigentlich nicht zu sagen. Ich bin davon überzeugt, daß Sie nicht mehr tun können. Es ist sinnlos zu versuchen, den oder die »Richtige« ausfindig zu machen. Das kann nur Ihr Unbewußtes, und Sie werden möglicherweise gar nicht allzu begeistert sein von dem, was es Ihnen präsentiert. Das einzige, was Sie bewußt bei Ihrer Partnerwahl tun können, ist, sich jemanden auszusuchen, der sich seiner selbst bewußt ist. Er sollte sich darauf einlassen, die notwendige Arbeit für eine dauerhafte Liebesbeziehung zu leisten.

Machen Sie sich bereit!

Also, werden Sie nun fragen, wie will dieses Buch mir dann helfen, eine dauerhafte Liebesbeziehung zu finden? Lassen Sie mich das mit einer Metapher beantworten. Ich vergleiche die Ehe gern mit Wildwasserkanufahren auf dem Colorado River. Sie haben die Wahl, ob Sie die Reise unternehmen wollen. Die Stromschnellen, denen Sie unterwegs begegnen, können sie jedoch nicht umgehen. Sie können allerdings vorher in Erfahrung bringen, was Sie zu erwarten haben. Wenn Sie an kleineren Stromschnellen üben, werden Sie in den großen nicht ertrinken. Ich möchte hier eine Landkarte anbieten, damit Sie sich auf dem Weg nicht verirren oder schockiert reagieren. Ich möchte Sie außerdem mit der nötigen Ausrüstung versehen: einigen grundlegenden Fähigkeiten, die Ihnen helfen sollen, die Stromschnellen zu durchqueren.

Mit anderen Worten, es geht darum, sich auf eine Reise vorzubereiten - die Reise einer Ehe. Vorbereitung ist die Voraussetzung für jede erfolgreiche Reise. Die Zeit, die Sie allein zubringen, ist die richtige Zeit dafür. Ihre Sicherheit und Ihr Wohlergehen auf dieser Reise hängen von der  Gründlichkeit Ihrer Vorbereitungen ab. Die Gefahren ganz vermeiden können Sie jedoch nicht.

Wir alle haben das, was wir zur Zeit gerade haben können, abhängig von unserem Wesen und unserer persönlichen Geschichte. Paradoxerweise ist das, was wir als Resultat der Reaktionen unserer Umwelt auf uns - und unserer Reaktionen auf die Umwelt - geworden sind, der Grund, weshalb wir nicht haben, was wir uns wünschen. Doch wir betrachten es als unser Geburtsrecht. Eigensinnig wollen wir das, was wir brauchen, ohne uns zu verändern. Aber das ist unmöglich. Wir brauchen uns selbst, unsere verlorene Ganzheit, und die können wir nur durch Veränderungen unseres Ichs wiedergewinnen.

Ich will nicht zuviel versprechen. Diese Vorbereitung ist alles, was Sie als Alleinstehender tun können. Solange Sie allein sind, können Sie den Prozeß, ganz zu werden, einleiten. Aber ohne einen Partner können Sie die Wunden Ihrer Kindheit weder vollständig heilen noch Ihre Ganzheit vollständig wiedererlangen. Sie können Ihr verlorenes Selbst nur durch die Reise einer engen Beziehung wiedergewinnen, in der Ihre verlorene Ursprünglichkeit aktiviert wird. Sie können sich auf diese Reise nur vorbereiten, indem Sie nicht nur die Verteidigungsstrategien Ihres Charakters verändern, sondern auch die nicht mehr angemessenen Verhaltensweisen.

Mit anderen Worten, den Lohn - wirkliche Liebe - werden Sie nicht erlangen, ohne sich auf den Weg zu machen. Selbst dann ist die Reise einer Ehe kein Urlaub, mit einem Reiseleiter, der Ihnen die ganze Arbeit abnimmt. Sie werden auf sich selbst gestellt sein, denn jede Partnerschaft ist einmalig. Aber jetzt werden Sie das Terrain erkunden und sich die richtigen Werkzeuge aneignen. Sie werden fähig sein, in fast jeder Situation erfolgreich zu improvisieren.

Vergessen Sie die Partnersuche!

Es ist nicht Ihre Schuld, wenn Sie bisher keine dauerhafte Liebesbeziehung gefunden haben. Es liegt aber in Ihrer Verantwortung, das Notwendige zu tun, um sie zu finden. Wenn Sie wiederholt Schwierigkeiten mit Beziehungen hatten, ist das kein Grund, deprimiert zu sein. Sie sollten sich vielmehr darum bemühen, konstruktiv damit umzugehen. Die Antworten auf Ihre Probleme finden Sie nicht »da draußen«, mit der richtigen Wohnung, dem richtigen Auto oder Kleid, sondern indem Sie Ihre Freiheit akzeptieren. Lassen Sie die Möglichkeiten zu innerem Wachstum zu. Nehmen Sie sich vor, sich zu verändern. Übernehmen Sie die Verantwortung dafür, was in Ihrem Leben geschieht. Kurz, indem Sie die Reise zur eigenen Reife antreten. Wenn es Ihnen ernst ist mit dem Wunsch nach einer umfassenden und dauerhaften Liebesbeziehung, müssen Sie sich ernsthaft mit Ihrem Alleinsein auseinandersetzen. Es gibt im wesentlichen vier Dinge, die für die Vorbereitung notwendig sind, bevor Ihr Partner des Wegs kommt und Sie sich einschiffen zu der Kreuzfahrt einer Ehe: 1) Werden Sie sich darüber klar, was Beziehungen bedeuten; 2) werden Sie sich über sich selbst klar; 3) üben Sie sich in den notwendigen Fähigkeiten, die für eine Beziehung notwendig sind, und 4) tun Sie, was Ihnen möglich ist, die Verhaltensweisen und Verteidigungsstrategien zu verändern, die Sie
davon abhalten, die Liebe, die Sie finden, auch zu behalten.

Darin besteht Ihre Aufgabe als Single. Wahrscheinlich wird dann der neue Partner eher fähig sein, sich zu binden. Er wird sie weniger frustrieren als die Person, die Sie sich vor der Erledigung Ihrer Hausaufgaben aussuchten.

Ich möchte Ihnen vorschlagen, ein Moratorium einzulegen. Gehen Sie in der Zeit, die Sie für die Arbeit brauchen, die in diesem Buch umrissen wird, keine Bindung ein. Ich möchte Ihnen dringend empfehlen, sich im Augenblick von der Partnersuche zurückzuziehen. Das bedeutet nicht, daß Sie nichts mit Männern oder Frauen zu tun haben oder Ihr Leben nicht mit jemandem teilen sollten. Im Gegenteil, die gegenwärtigen Beziehungen sind ein ideales Übungsfeld für das Eigentliche. Aber schieben Sie eine Hochzeit auf. Haben Sie auf alle Fälle Ihre »Affären«, bevor Sie heiraten. Machen Sie diesmal etwas aus Ihrem Alleinleben und nicht erst nach einer weiteren herzzerbrechenden Trennung oder Scheidung. Ein »bewußter Single« zu werden ist die Vorbereitung für die Reise einer Ehe.

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