Handbuch Freie Alternativschulen von Dr. Franz Eberhart / Benno Kapelari

 

Berichte von Eltern, Aussagen von Lehrpersonen, Befragung von AbsolventInnen Uvm.

 

 

INHALTSVERZEICHNIS

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    9
VORWORT  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    7

1.   WAS IST EINE FREIE ALTERNATIVSCHULE?  . . . .   11
1.1. WAS SIND DIE WESENTLICHEN MERKMALE? . . . . .   12
1.2. WELCHE PÄDAGOGISCHEN REFORMANSÄTZE SIND VON
     BESONDERER BEDEUTUNG? . . . . . . . . . . . .   16
1.3. WAS UNTERSCHEIDET DIE FREIEN ALTERNATIVSCHULEN
     VON ANDEREN REFORMPÄDAGOGISCHEN SCHULEN?  . .   20
1.4. WIE ENTWICKELN SICH FREIE SCHULEN
     INTERNATIONAL?  . . . . . . . . . . . . . . .   25
1.5. WAS SIND DIE STÄRKEN UND SCHWÄCHEN? . . . . .   29
1.6. WAS SIND DIE WICHTIGSTEN BEREICHE
     IM SCHULALLTAG? . . . . . . . . . . . . . . .   39

2.   WAS SAGEN DIE ELTERN? . . . . . . . . . . . .   41
2.1. WELCHE ELTERN GEBEN IHR KIND IN EINE
     ALTERNATIVSCHULE? . . . . . . . . . . . . . .   56
2.2. WARUM GEBEN ELTERN IHR KIND IN EINE
     ALTERNATIVSCHULE? . . . . . . . . . . . . . .   61
2.3. WAS SIND DIE GRÖßTEN HERAUSFORDERUNGEN? . . .   69
2.4. WIE ERLEBEN ELTERN DEN UMSTIEG? . . . . . . .   76
2.5. WAS SIND BESONDERHEITEN VON ELTERNINITIATIVEN?  79
2.6. WAS SOLLTEN ELTERN BEACHTEN, DIE IHR KIND IN
     EINE FREIE SCHULE GEBEN WOLLEN? . . . . . . .   85

3.   WAS SAGEN DIE ABSOLVENTINNEN? . . . . . . . .   91
3.1. SCHULISCHE LEISTUNGEN . . . . . . . . . . . .   92
3.2. WIE WURDE DIE SCHULZEIT INSGESAMT ERLEBT? . .   95
3.3. WIE WURDE DER SCHULALLTAG ERLEBT? . . . . . .  100
3.4. WIE WAR DER UMSTIEG?  . . . . . . . . . . . .  109
3.5. WELCHE WERTE HABEN DIE ABSOLVENTINNEN?  . . .  114

4.   WAS SAGEN DIE LEHRPERSONEN? . . . . . . . . .  119
4.1. WELCHE ROLLE HABEN DIE LEHRPERSONEN?  . . . .  119
4.2. WIE WERDEN DIE HERAUSFORDERUNGEN DER ARBEIT
     GESEHEN?  . . . . . . . . . . . . . . . . . .  123
4.3. WAS VERSTEHEN LEHRPERSONEN UNTER
     RESPEKTVOLLEM UMGANG? . . . . . . . . . . . .  137
4.4. IST AUTHENTIZITÄT EIN ZENTRALER ASPEKT EINER
     LEHRPERSON? . . . . . . . . . . . . . . . . .  139
4.5. WAS IST DER VERDECKTE GEWINN? . . . . . . . .  140

5.   WIE ENTSTEHEN KRISEN UND SPALTUNGEN?  . . . .  147
5.1. WAS SIND DIE HÄUFIGSTEN ANLÄSSE VON KRISEN? .  149
5.2. WANN FÜHREN KRISEN ZU SPALTUNG ODER
     AUFLÖSUNG?  . . . . . . . . . . . . . . . . .  164
5.3. WELCHE RATSCHLÄGE KÖNNEN FÜR ANDERE SCHULEN
     HILFREICH SEIN? . . . . . . . . . . . . . . .  167
5.4. GIBT ES EIN HILFREICHES MODELL ZUR DIAGNOSE
     VON KONFLIKTEN? . . . . . . . . . . . . . . .  173

6.   WIE SIND FREIE ALTERNATIVSCHULEN ORGANISIERT?  179
6.1. WELCHE DEMOKRATISCHEN FORMEN GIBT ES? . . . .  180
6.2. AUF WELCHEN SÄULEN STEHT DIE ORGANISATION?  .  185
6.3. GIBT ES EINE METAPHER FÜR DIE ENTWICKLUNG
     EINER ORGANISATION? . . . . . . . . . . . . .  188
6.4. KANN EINE ALTERNATIVSCHULE ALS LERNENDE
     ORGANISATION VERSTANDEN WERDEN? . . . . . . .  192

7.   WAS SOLLTEN GRÜNDERINNEN WISSEN?  . . . . . .  197
7.1. WAS SIND DIE RECHTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN? .  198
7.2. WIE IST DIE ZUSAMMENARBEIT MIT DEN BEHÖRDEN?   203
7.3. WELCHE BEWEGGRÜNDE HABEN SCHULGRÜNDERINNEN? .  205

8.   ZUKUNFTSTHESEN ALS ANREGUNG ZUR DISKUSSION  .  213

ANHANG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  221

Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser!
Stellen Sie sich folgendes Bild vor:
Eine Kindergruppe baut schon seit vielen Stunden ein Baumhaus und sie werden von keiner Schulklingel unterbrochen. Andere sind damit
beschäftigt, alles Interessante über ein fremdes Land zu sammeln, weil sie davon begeistert sind. Sie haben Zeit, soviel sie wollen.

Begleitpersonen sind beim ersten Anblick nicht sofort von den Schülern zu unterscheiden - sie stehen mitten in einer Gruppe von Jugendlichen und stellen sich den Fragen und Diskussionen oder sie sitzen bei den kleineren Kindern am Boden. Während einige Kinder in der Bibliothek stöbern, spielen andere Fußball oder jonglieren mit Bällen. Sie freuen sich aufs nächste Clownseminar und auf die Theaterprobe. Sie lernen lesen und schreiben und rechnen, aber auch diskutieren und streiten, sich wieder versöhnen und lieben.

Der Platz, an dem sie ihre Vormittage verbringen ist für sie Lebensraum, in dem alle Fassetten des Lebens vorkommen – sich anzustrengen und Ziele zu erreichen, aber auch das Träumen und Faulenzen, die Freude am Lernen und die Faszination des Unbekannten.

Klingt das nicht sehr unwahrscheinlich? Ist das tatsächlich die Beschreibung einer realen Schule?
Ja, so etwas gibt es wirklich.

Kommt man als Besucher in eine solche Schule, so ist man überrascht und gleichzeitig verwirrt. Es gibt keinen Unterricht im herkömmlichen Sinn, sondern die Angebote und Lernprozesse richten sich im Wesentlichen nach den Bedürfnissen der Kinder. Es gibt keinen Lerndruck und keine Prüfungen. Es gibt jedoch gemeinsam beschlossene Regeln des Zusammenlebens.

Die Faszination dieser praktisch gelebten Pädagogik und der Respekt vor den Menschen, welche diese Schulen gründen und betreiben oder
darin arbeiten haben uns motiviert, dieses Buch zu schreiben.

Freie Alternativschulen gibt es sowohl in Österreich, als auch international seit vielen Jahrzehnten. Sie haben sich einen eigenen Platz in der Bildungslandschaft erobert und glänzen vor allem durch ihre pädagogische Vielfalt und Experimentierfreudigkeit. Sie sind vorbildlich in ihrer gelebten Autonomie und dem großen Einsatz, den sowohl Eltern, als auch die Lehr- und Begleitpersonen erbringen.

Dafür gebührt ihnen Anerkennung.

Die Eltern, welche eine Schule gründen, aufbauen oder als Lehrpersonen tätig sind, haben nicht nur viel Idealismus, sondern auch die Fähigkeit, gegen den Strom zu schwimmen und den konsequenten Weg einer „anderen“ Pädagogik zu beschreiten.

Daher finden wir es wichtig und auch spannend, sie zu Wort kommen zu lassen. Wir haben die Berichte von insgesamt 150 Eltern ausgewertet. Sie zeigen einen Einblick in ihre Motive und Erfahrungen. Gleichzeitig geben sie Ratschläge an neue Eltern weiter, welche die Absicht haben, ihr Kind in eine Freie Alternativschule zu geben.

Das außergewöhnliche pädagogische Konzept braucht Lehr- und Begleitpersonen, welche die Bereitschaft mitbringen, ihre verinnerlichten Vorstellungen von Schule über Bord zu werfen und sich auf neue Formen der Begleitung von Kindern einzulassen. Gleichzeitig ist die Zusammenarbeit mit den Eltern von zentraler Bedeutung. Wie erleben sie ihre Arbeit in einer Freien Alternativschule? Wir denken, dass diese Personengruppe in der einschlägigen Literatur viel zu wenig behandelt wird. Daher ist es uns ein Anliegen, den BetreuerInnen in einem eigenen Kapitel die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Lernen die Kinder überhaupt irgendetwas? Können sie im weiteren Lebensweg bestehen? Was sagen sie im Rückblick zu ihrer Schulzeit? Diese Fragen beantworten wir durch eine Auswahl der Ergebnisse einer AbsolventInnenbefragung, welche vor drei Jahren im Rahmen einer Dissertation durchgeführt wurde.

Wir wollen in diesem Buch nicht verschweigen, dass es auch schwere Krisen, Auflösungen und Spaltungen gibt. Aus diesem Grund haben wir diesem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet. Dabei ist es nicht unsere Absicht, Finger auf offene Wunden zu legen, sondern den Schulen und Initiativen die Möglichkeit zu geben, von anderen zu lernen.

Mit dem Kapitel über Organisation wollen wir einen Beitrag liefern für eine bessere Analyse und mögliche prophylaktische Maßnahmen. Wir denken, dass in der Organisationsentwicklung große Chancen einer Verbesserung liegen. Wenn die Erwartungen von Eltern durch die herkömmliche Schule nicht erfüllt werden – welche Möglichkeiten oder Auswege gibt es? Entweder man sucht in der näheren Umgebung nach einer Alternative oder man gründet selbst eine Schule. Eltern, welche selbst den Gedanken hegen, eine eigene Schule zu gründen, kann das Kapitel über Schulgründung eine Hilfe sein. Hier werden sowohl rechtliche Grundlagen, als auch Erfahrungen und Tipps von anderen
GründerInnen beschrieben.

Am Ende von einzelnen Kapiteln und im abschließenden Kapitel über Zukunftsentwicklungen laden wir durch kritische Anregungen zur Diskussion ein. Wir würden uns freuen, wenn dieses Buch nachhaltig zu Auseinandersetzungen und damit zur Weiterentwicklung der
Schulen beiträgt.

In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung werden die Freien Alternativschulen leider sehr stiefmütterlich behandelt. Wir hoffen,
dass unser Buch, für dessen Inhalte wir in vielen Bereichen sozialwissenschaftliche Befragungen durchgeführt haben, zu weiterführenden Forschungen anregt.

In den meisten Fällen wird die Bezeichnung „Freie Alternativschule“ verwendet. Dieser Begriff steht für alle anderen Bezeichnungen, die in unterschiedlichen Kontexten verwendet werden wie Schulen in Freier Trägerschaft, Elterninitiativenschulen, Schulinitiativen, Freie
Schulen, demokratische Schulen,Netzwerkschulen, u.a.


Bei folgenden Personen und Institutionen bedanken wir uns herzlich für die Unterstützung:
Eltern, LehrerInnen, AbsolventInnen und andere Personen, die durch ihre Offenheit und Unterstützung zum Gelingen dieses Buches
beigetragen haben.

Momo Kreutz vom Netzwerk – sie war bei der Durchführung der Befragungen eine große Hilfe.

Renate Zipser-Scherenzel – sie hat durch ihre kompetente Endkorrektur den Texten eine zusätzliche Qualität verliehen.

OIJ (österreichische Institut für Jugendforschung) für das zur Verfügung Stellen der Daten aus der Jugend-Wertestudie 2000

Franz Eberhart & Benno Kapelari

1. Was ist eine Freie Alternativschule?
Die Freien Alternativschulen, von denen in diesem Buch die Rede ist, unterscheiden sich untereinander in vielen Bereichen, sodass eine
einheitliche Beschreibung nur schwer möglich ist. Daher werden im Folgenden die wichtigsten Merkmale und pädagogischen Grundlagen
zusammengefasst. Einzelaussagen von Lehrpersonen, Eltern oder AbsolventInnen sind kursiv und unter Anführungszeichen gesetzt.


Was bedeutet „frei“?
Der Begriff „frei“ steht für „freie Entfaltung des Kindes“. Damit ist das Recht des Kindes auf Selbstbestimmung und gemeint. In der
Schulpraxis schlägt sich das vor allem in dem Prinzip der freien Entscheidung nieder, zu welcher Zeit das Kind sein Lernbedürfnis
befriedigen möchte.

„Frei“ bedeutet auch, dass SchülerInnen und LehrerInnen gemeinsam die Inhalte und den Verlauf des gemeinsamen Arbeitens und Lernens bestimmen. Somit fällt die Orientierung nach einem Lehrplan im üblichen Sinn weg, und die behandelten Lerninhalte orientieren sich nach den konkreten Interessen der SchülerInnen.
Es besteht die Freiheit, eigene Arbeits- und Lernformen zu entwickeln. Zusätzlich sind die Schulen frei von den engen Vorgaben des
staatlichen Schulsystems, obgleich sie gesetzlichen Mindeststandards unterliegen.

Was bedeutet „alternativ“?
Der Begriff „alternativ“ bezieht sich auf die Zielsetzung, eine Alternative zum herkömmlichen Schulwesen anzubieten. Dieser hohe
Anspruch ergibt sich aus der Kritik an der Regelschule und an der Gesellschaftsform im Ganzen. Es soll nicht nur eine Alternative zum
Staatsschulwesen, sondern eine Alternative zur vorherrschenden Lebens- und Arbeitskultur entwickelt und erprobt werden.

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